vonChristian Ihle 27.07.2010

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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Missent to Denmark – I Am Your Son

Zuerst wollten sie nie live auftreten, dann verschenkten sie ihre Musik gratis in diesem neuen Ding namens Internet. Jetzt –ein paar Jahre später- veröffentlichen sie ihr zweites Album für Geld und vor der Konzertbühne hinterlassen sie staunende Sympathisanten.
Gut, natürlich muss ich zugeben, dass ich ein klein wenig befangen bin. Ich kenne die Bandmitglieder der Deggendorfer / Münchner / Regensburger Band gut bis sehr gut. Und sie würden mir auch verzeihen, wenn ich jetzt ein krummes Haar an ihrem neuen Werk lasse.
Aber: Ich finde keines.

Im Wohnzimmer des MtD-Bassisten Robert Meier gab es schon vor zwei Jahren ein spontanes Pre-Listening (mit Bier und Käseigeln). Da war klar: Songwriting überzeugt, Ausarbeitung perfekt.
Nur gehen Musiker halt immer so arg selbst mit sich ins Gericht. Und so wurden Songs noch einmal überarbeitet, verschiedene Quellen (die kritische Masse, die vor Konzerten hinterm Club verschworen Zigaretten raucht) berichteten sogar, dass der Kracher „Piece of Gold“ aus dem Live-Programm wie auch von der Platte flog. Auf dem fertigen Album steht „Piece of Gold“ jetzt leuchtend auf Platz eins Trackliste.
Missent to Denmark arbeiteten ausführlich an ihren Liedern und am Album. Und nahmen sich immer wieder Zeit für einen Blick von außen. Oder von oben, wie Sänger Stefan Gillmeier die Aufnahmen neulich bei einem Interview beschrieb: „Wir wollen immer kreativ ins Arrangement eingreifen, nehmen eine Gitarrenspur auf und schauen, was man am Computer damit machen kann. Wir nehmen eine Vogelperspektive ein und bearbeiten die Songs so. ‘Where are my Glasses’, zum Beispiel, ist aus einem Rhythmus, den wir aufgenommen haben, entstanden. Den
haben wir am Computer künstlich aufgebaut und so den Song entworfen. Am Ende haben wir die künstlichen Elemente wieder entfernt und analog eingespielt.“

Spontan ist auf „I am your Son“ wohl weil kein Song und kein Ton gepresst worden. Missent to Denmark haben sich bewusst Zeit und Dingen ihren Lauf gelassen. Den nötigen Blick von oben verschafften sich Missent to Denmark im Studio von Lali Puna-Produzenten Taison Heiß. Und sie schufen Songs, die Überschwang filigran klingen lassen. Sie reiten das alte Pferd „Pathos“ ohne sich dabei der Effekthascherei verdächtig zu machen. Sie zelebrieren hier fluffigen Gitarren-Pop mit Glockenspiel und Chor und lassen da und dort offenherzig durchblicken, dass sie die letzten beiden Alben von The Notwist genauso studiert haben, wie „Kid A“ und alles, was von Radiohead danach kam. Und: Das sind Referenzen, die man sich doch gerne ans Revers heftet.
Und hoffen muss man in diesen (man sagt: schlechten) Zeiten ja nur eines: Dass sich die Hörer Zeit lassen. Keine drei Jahre, nur drei Hördurchgänge. Dann ist „I am your Son“ da. Und lässt das Blut schneller fließen und das Herzerl jedes anspruchsvollen und unabhängigen Pop-Freunds bumpern. (Säm Wagner)

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=q-w9RaXsOEs[/youtube]
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Anhören:
* Piece of Gold

Im Netz:
* MySpace

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Mexican Elvis: John frum Alaska

Mexican Elvis sind, ähnlich wie die Väter, die ihre komplette Freizeit einer detailfreudigen Modelleisenbahn widmen, leidenschaftliche Fanatiker. Sie wollen mit ihrer Musik bestimmt nicht prominent werden und sind sicher auch so realistisch, dass sie dafür nicht opulent finanziell entschädigt werden (obwohl sie zur Veröffentlichung ihres Debütalbums eigens eine Plattenfirma gegründet haben). Mexican Elvis sind filigrane Indie-Popper, die an ihrer Musik bis ins kleinste Detail arbeiten. Bis Herzen zerreißen. Die sich viel Zeit nahmen, um Liebe, Melancholie, Leidenschaft und Überschwang auszudrücken, ohne dass es kitschig oder – noch schlimmer – pathetisch klingt. Erst sechs Jahre nach Gründung der Münchner Band und nach zwei EPs sowie einer Single erscheint das Debütalbum “John frum Alaska”. Und jede Sekunde Aufwand sollte sich auszahlen. Auch die E-Mails nach England, mit denen man den Wunsch-Duettpartner, den Adorable-Sänger Piotr Fijalkowski, in den Flieger nach München locken konnte. Großer Pop. Rund. Mit Ecken und Kanten. (Säm Wagner)

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=PkQdjK-DBik[/youtube]
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Anhören:
* The Washington D.C.
* Drop Hawaii (mit Piotr Fijalkowski)

Im Netz:
* MySpace

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https://blogs.taz.de/popblog/2010/07/27/im_plattenregal_im_juli_1_missent_to_denmark_mexican_elvis/

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