vonChristian Ihle 04.11.2010

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

Mehr über diesen Blog

Es ist ein schlecht gehütetes Geheimnis: Ja, Panik sind derzeit die beste deutschsprachige Band der Welt. Nach ihrem phänomenalen „The Angst & The Money“ – Album vom letzten Jahr ist es schön, in der japanikfreien Zeit ein halbes neues Album der Österreicher vermelden zu können, hat doch Panik-Mastermind Andreas Spechtl die neue Platte der Grande Dame des deutschen Indiepop, Christiane Rösinger (Britta, Lassie Singers), instrumentiert und die Musik geschrieben, während Rösinger sich ganz auf ihre Texte konzentrieren konnte. Rösinger

So klingt „Songs of L. and Hate“ tatsächlich wie eine Kreuzung aus Ja, Panik – Demotapes und Rösingers Britta-Zeit. Dabei tritt das Frenetische von Spechtls Hauptband in den Hintergrund und werden seine Lieder zu closing time – Stücken in verrauchten Bars, die immer wieder das Songwritertum der späten 60er, frühen 70er zitieren – wie überhaupt die ganze Platte vor Referenzen nur so überquillt. Der Albumtitel bezieht sich auf das epochale Leonard-Cohen-Album „Songs Of Love & Hate“ (1971), das Cover stellt originalgetreu Bob Dylans „Bringing It All Back Home“ – mit Spechtl im roten Ganzkörperanzug! – nach (1965) und Rösinger textet erfolgreich „These Days“ von Nico (1967) in unsere Sprache um.

Dass sie sich entschieden hat, im Vergleich zum Cohen-Albumtitel ausgerechnet das „Love“ zu kürzen, ist kein Zufall. Hass und Desillusion sind die Treibstoffe des Albums, Liebe dagegen nur soweit wie sie unweigerlich zu Enttäuschungen führen wird.

So erinnern Rösingers Texte durchaus in der Haltung an Tocotronics „Kapitulation“, wobei sie den immer leicht prätentiösen Gestus eines Dirk von Lowtzow durch Witz und Gelassenheit ersetzt. Wo der Graf die Aufgabe zur beinah existentialistischen Tat stilisiert, weiß Rösinger darum, dass der Rest der Welt sich nicht darum kümmert, wenn man am Boden liegt und begegnet dem wiederum mit einem couldn’t-care-less-Esprit auf ihrer Seite. Wo Lowtzow sich theatralisch aufbäumt, um seine Aufgabe als bewusste Verweigerung anzuzeigen, bleibt Rösinger einfach liegen und dreht sich noch einmal um.

So kommt mit „Songs of L. and Hate“ erneut eines der besten, interessantesten Alben des Jahres von Berliner Staatsakt-Label, das mit Hans Unstern, Ja Panik und den Türen immer wieder aufs Neue bewiesen hat, dass sie die Besten im Lande sind (Bonaparte übersehen wir dabei geflissentlich). (Christian Ihle)

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=v7176Bz0mK0[/youtube]
.

Anhören:
* Berlin
* Desillusion
* Ich muss immer an dich denken

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=dlRAUpE9yVA[/youtube]
.

Mehr von Christiane Rösinger:
* Songs To Love & Hate

Im Netz:
* Indiepedia

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/popblog/2010/11/04/album_des_monats_oktober_-_platz_1_christiane_roesinger_-_songs_of_l_hate/

aktuell auf taz.de

kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert