vonChristian Ihle 13.11.2012

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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Stefan Raab macht jetzt also auch in Politik. Für alle die am Sonntag-Abend, zu ihrem großen persönlichen Gewinn, besseres vorhatten als zwischen 22.45 und 0.25h (!) Pro Sieben zu schauen, kurz der Tatbestand. Oder im Stefan Raab-Jargon: Wadde Hadde Dudde Da?!





Politiker plus Unternehmerin, die Volkes Stimme repräsentieren sollte, sowie Raab als Stichwortgeber diskutieren mehr oder weniger politische Themen; Inhalte werden durch Schlagwörter ersetzt, und wer immer diese am markigsten transportiert, bekommt den größten Applaus. Soweit ähnelt der Klamauk doch weitgehend der Kulissen-Schieberei des Talkshow-Zirkus im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Einziger Unterschied: die Zuschauer entscheiden durch Anrufe und SMS wer ein Auto gewinnt, und welcher Politiker der größte Opportunist ist. Sollte dem die Quadratur des Kreises gelingen, und also das an sich Unmögliche, zu drei verschiedenen Themengebieten insgesamt über 50% der Zuschauer auf seine Seite zu ziehen, winken 100.000€ Prämie. Sollte es tatsächlich einen Politiker geben, der inhaltlich in der Lage ist, auf drei unterschiedliche Themenkomplexe so zu reagieren, dass die absolute Mehrheit der Bundesbevölkerung ihm folgen würde, wäre die nächste Bundestagswahl, und damit eine Talkshow wie diese, wohl obsolet, oder man würde mal wieder einem Diktator folgen. Bei Talkshows wie dieser ist man fast geneigt zu sagen: warum nicht?!


Erste Anzeichen in dieser Hinsicht sind vorhanden. Der Logik und dem Aufbau von Raabs Sendung folgend ist es nicht weiter entscheidend, welche Meinung man vertritt, sondern wie man sie vertritt. Kein neues, aber dennoch ein fatales Signal, welches die Kurzlebigkeit politischer Gedanken und Ausrichtungen weiter vorantreibt und das eigentliche Ziel der Sendung, so man Raab diesen Idealismus unterstellen darf, Menschen, und vor allem also jüngere Pro-Sieben-Menschen, für Politik zu interessieren, weit verfehlt. Denn die Diskussion verfährt, im Interesse es allen Recht machen zu wollen, immerzu nach dem gleichen Prinzip. Ein beschriebenes Problem wird „ernst genommen“, und nun „müsse man da etwas tun“. Na, unbedingt!





Bei einer inhaltlich so kargen Sendung sollte man meinen, man fände immerhin die Zeit, allerlei Gedanken zu den Gästen anzustellen. Doch war es auch damit schnell getan. Kubicki spielte hauptsächlich Kubicki, und das ist genau einen Moment lang interessant, und aber ein bisschen spielte er auch den Romeo, mit der neben ihr sitzenden Unternehmerin, mit der er zunächst Händchen hält, um zum Ende der Sendung , die er im Übrigen „gewann“, als vom Zuschauer beglaubigtes Alpha-Männchen zum Wangenkuss überzugehen. Davon zeigte sich besagte Unternehmerin übrigens überraschend begeistert, sie busserlte ganz kräftig zurück, und fast hatte man den Eindruck, da geht noch was für Kubicki, schließlich gilt die FDP ja nicht umsonst als unternehmerfreundlich.

Im Übrigen ein immer wieder beliebtes Kuriosum ja auch in anderen Talk-Formaten: die Stimme aus der Mitte der Gesellschaft. Wobei man sich schon immer auch fragt, wie kann das denn sein, dass man da also vier Politiker sitzen hat, die für vier Parteien stehen, und sich am Ende doch irgendwie einig sind, dass man also „da mal was tun müsse“; und aber nur diese eine Stimme aus der Mitte der Gesellschaft, obwohl das, zugegeben, ja eine beknackte Formulierung ist, aber so wird das ja tatsächlich manchmal genannt, „aus der Mitte der Gesellschaft“, und meint also, da ist jemand, den all diese Probleme, die jetzt hier mal eben behandelt werden, auch angehen. Und das ist natürlich Quatsch, weil natürlich bei 80 Millionen Bundesbürgern, da gibt es dann schon auch verschiedene Problemlagen und –gewichtungen. Und vielleicht sollte man, wenn man denn vier verschiedene Parteisoldaten einlädt, die für vier verschiedene Meinungen stehen, auch vier verschiedene Bürgerstimmen einladen. Also einen Hartz4-Empfänger, einen Millionär, einen Lehrer, und einen, tja, keine Ahnung, wer immer eben die SPD heutzutage wählt. Aber das würde an der Kakophonie wohl auch nichts mehr ändern, sie wäre nur lauter.





Als weiterer Gast: Thomas Oppermann. Der wirkte einmal mehr genauso, wie man sich seinen Geburtsort vorstellt: Freckenhorst. Und dabei irgendwie, als würde nicht einmal SPDopperman SPD wählen. Dabei strahlte er tatsächlich ein großes Maß an Würde und Gelassenheit aus, so sehr, dass man nach dieser Sendung fest von der Richtigkeit des Hospiz-Gedanken überzeugt sein konnte. Nur war das, wahrscheinlich, gar nicht das Thema. Sein roter Bruder im Geiste, Schotter-Freund Jan van Aken von der Linkspartei, war mit blauer Jeans zu Sakko als Berufsjugendlicher unterwegs – dabei so überzeugend wie einst Reinhold Beckmann als jener in ähnlicher Montur bei “ran” die erste private Sportschau moderierte – und vergaß in diesem Zusammenhang auch nicht, ständig darauf hinzuweisen, dass er bereits über 50 Jahre alt sei, die man ihm, Respekt, tatsächlich nicht ansieht. Weiterhin schaute er bei seinen lila Wortmeldungen immer direkt in die Kamera, was professionell anmuten könnte, wenn es nicht so kalkuliert anmuten würde.




Die CDU schickte Michael Fuchs. Der wirkte wahnsinnig lieb, aber irgendwie verstand man dabei die am Wochenende von Ole von Beust erhobene Klage: „Die CDU gibt Antworten auf Fragen, die keiner mehr stellt.“

Stefan Raab als Gastgeber gab sich alle Mühe. Und Peter Limbourg ordnete das Geschehen aus der Distanz ein, wie man ihn von den SAT.1 Nachrichten in Erinnerung hatte, und wie man nun auch diese Sendung in Erinnerung behalten wird: gar nicht. (Text: Ilja Behnisch)

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