vonChristian Ihle 20.02.2016

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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Where To Invade Next (Regie: Michael Moore)

Die neue Polemik von Michael Moore ist deutlich gelunger als “Capitalism: A Love Story” oder “Fahrenheit 9/11”, auch wenn wir natürlich hinter alle üblichen Moore-Kritik-Checkboxen auch hier wieder Häkchen setzen können. Natürlich ist das Preaching To The Coverted, selbstredend nie ausgeglichen aufbereitet (und deshalb natürlich auch keine Dokumentation im eigentlich Sinn, sondern eben eine Polemik) und immer zu simplifizierend.

Was es aber auch ist: eine Art Love Letter ans Alte Europa. Moore reist (hauptsächlich) in europäische Staaten wie Frankreich, Italien, Deutschland, Island, Norwegen und berichtet baff erstaunt von den hiesigen Errungenschaften (garantierte Urlaubstage! Schwangerschaftspause! Beides mit weiterlaufendem Lohn! Mittagspausen! Keine Pommes & Hamburger im Schulessen! Schultestes bestehen nicht nur aus Multiple Choice!). Das hat einen seltsamen Effekt auf seine europäischen Gesprächspartner (& damit auch den europäischen Zuschauer), der ja tatsächlich alle diese Errungenschaften für gegeben nimmt & dadurch erst einmal wieder gespiegelt bekommt, welche Teile in unserer europäischen Idee von Gesellschaftsordnung dann eben doch nicht so völlig verkehrt laufen.

[youtube]https://www.youtube.com/watch?v=1KeAZho8TKo[/youtube]

Worauf ich gerne verzichtet hätte: dass er als Tick dem Gesprächspartner in jedem besuchten Land die amerikanische Flagge in die Hand drückt und ihm dafür die “Idee stiehlt”, um Amerika besser zu machen – die Screentime wäre besser dafür genutzt worden, die herausgepickten positiven Beispiele etwas mehr mit Zahlen zu untermauern (wie es manchmal auf der Tonspur geschieht: Rückfallquote Straftäter Norwegen: 20% vs USA: 80% – dadurch hätte die Polemik zumindest etwas mehr Chancen, mehr als die eh schon Überzeugten zu erreichen). Da er das zu oft unterlässt, bleibt der etwas fade Beigeschmack, hauptsächlich schöne Anekdötchen erzählt zu bekommen, die zu sehr herausgesucht sind als dass sie ein allgemeingültiges Beispiel für eine gesündere Gesellschaft darstellen könnten.

Was den Film dagegen wieder rettet, ist neben den üblichen Moore-Skills (es ist nun mal amüsant & unterhaltsam aufbereitet und die Mash Ups mit alten Filmausschnitten, mit denen manche Thesen unterlegt werden funktionieren immer noch hervorragend) diese Warmherzigkeit. Moore wütet diesmal nicht gegen die andere Seite der amerikanischen Gesellschaft, sondern sagt eigentlich nur: schaut, ich war mal bei diesen Europäern und habe da ein paar Ansätze mitgebracht – wären die nicht auch ganz gut für uns? Das hat etwas überraschend versöhnliches und letztendlich auch optimistischeres als man es von sonstigen Moore-Tiraden gewohnt ist.

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