vonChristian Ihle 07.03.2016

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

Mehr über diesen Blog

Das Podcast-Genre steckt in Deutschland immer noch in den Kinderschuhen und ist hier vor allem eine Grassroots-Bewegung. Zwar sind Olli Schulz und Jan Böhmermann eine große Nummer, aber ihr Podcast ist eben doch nur die ins Netz gestellte Radiosendung. Dass sich aber jemand (halbwegs) Prominentes des Podcast-Mediums bedient, um auch außerhalb der eigenen Nische seine Stimme zu erheben, gibt es kaum. Bernd Begemann sei hier als lobenswerte Ausnahme mit seinem “Flimmerfreunde” – Podcast angemerkt, der aber auch eher sporadisch befüllt wird.

In den USA kann man dagegen Highlights entdecken: Kevin Smith, der Regisseur von “Clerks”, dürfte in der Zwischenzeit mit seinen Podcasts mehr Menschen erreichen als mit seinen neuen Filmen. Während Smith den üblichen Nerd-Plauderer gibt, was unterhaltsam, aber auch nicht allzu tiefgründig ist, kann man im Podcast von Bret Easton Ellis eine Perle nach der nächsten entdecken. Ellis, einer der großen Namen der transgressiven Zeitgeist-Literatur und als Autor dank “American Psycho” und “Unter Null” einer der scharfsinnigsten Beobachter der US-Kultur in den 80ern und 90ern, lädt sich die ganz großen Namen Hollywoods und der Musikszene in sein Studio ein, und plaudert druckreife Sätze in einer Spielzeit von Einerstundeplus.


Fixpunkte in Bret Easton Ellis’ Podcasts sind sein Kampf für die Grenzüberschreitung der Kunst und damit auch gegen eine gewisse Über-PC-ness (die durchaus nicht bei jedem Zustimmung finden dürfte) sowie eine Beschreibung der Mechanismen des Hollywood-Business und seine Auswirkungen auf die unter diesen Voraussetzungen entstehenden kulturellen Werke. Auch bleibt Ellis ein wütender Streiter für das Kino, also nicht nur des Films an sich, sondern vor allem für eine Präsentation und visuelle Denkweise, die eben nicht Fernsehen ist. Needless to say dass er kein Gläubiger des “Golden Age Of Television” – Narrativs ist und beispielsweise – trotz seiner großen Verbeugung vor “Mad Men” und “Sopranos” – eine Serie wie “Breaking Bad” für ihr schlussendlich konventionelles Erzählen und eine fernsehhafte Bildsprache kritisiert.

Wie man sieht: das blinde Folgen von Massenmeinungen ist nicht die Sache von Bret Easton Ellis.
Ellis entwickelt daraus sogar eine bemerkenswerte eigene Theorie einer Art “Poptivismus”, die davon ausgeht, dass eine Kritik an allseits anerkannten Werken im Social-Media-Zeitalter verunmöglicht wird. Zugrunde liegt die Idee, dass Poptivisten Popkultur als etwas ausschließlich affirmativ zu behandelndes sehen und sozusagen den alten römischen Spruch “De mortuis nil nisi bene” der Popkultur überstülpen: “Über ‘Dark Knight Rises’ nur sprechen, wenn es etwas Positives ist”.
Ellis dagegen scheut sich nicht, auch die heiligen Kühe zu schlachten und nimmt so beispielsweise einen everybody’s darling wie “It Follows” (übrigens wiederum völlig zurecht) auseinander.

Als besondere Highlights seien die folgenden Podcasts erwähnt:
– ein langes Gespräch mit Quentin Tarantino zum Release von “The Hateful Eight”, das neben den üblichen Tarantino-Nerd-Themen und etlichen begeisternden Ping-Pongs über obskure Filme der 60er und 70er auch das Thema der Meinungsäußerung zu Kunstwerken in Zeiten von Social Media thematisiert und hier einige bemerkenswerte Punkte trifft, siehe oben erwähnten “Poptivismus”. Anlass dafür ist unter anderem eine Bemerkung von Tarantino aus dem letzten Jahr, dass “Selma” eher einen Emmy als einen Oscar verdient gehabt hätte (und damit implizit meint, dass “Selma”s visuelle Qualität eher auf Fernseh- als auf Kinoniveau ist (was der hiesige Schreiber übrigens ohne Frage bejahen würde)), wofür Tarantino einen Social-Media-Shitstorm erntete. Und das war im Jahr vor #OscarsSoWhite!

– eine Unterhaltung mit Eli Roth (“Hostel”) über die Notwendigkeit der Grenzüberschreitung in Filmen und wie – und ob! – so etwas in Zeiten einer Überempflindlichkeit überhaupt noch möglich ist. Der Podcast schließt mit einer überraschenden Hymne auf den in Deutschland praktisch unbekannten “The Last American Virgin”, eines US-Remakes des israelischen “Eis Am Stiel”-Teen-Klassikers aus den frühen 80ern.

– ein irre interessanter Podcast mit Rob Zombie (“The Devil’s Rejects”), der in erster Linie von den Beschwerlichkeiten des Hollywood-System handelt. Zombie und Ellis sprechen offen über ihre Pitches, abgelehnte Projekte und wie Zufall und unglückliches Timing Jahre an Arbeit vernichten. Besonders faszinierend ist das Scheitern eines gemeinsamen Projektes einer Fernsehserie über die Charles-Manson-Morde, die in zehn Teilen das Umfeld der Manson-Bande und ihrer Opfer beleuchten wollte und so ein Mikrokosmos der Verschränkungen zwischen Counter Culture, Hollywood und Wahnsinnigen geworden wäre. Leider wurde das Projekt gecancelt, weil kurz vorher die David-Duchovny-Serie “Aquarius”, die zur gleichen Zeit am gleichen Ort spielt, grünes Licht bekommen hatte… Na danke sehr!

“I remember the need I felt to view experiences, whether it was by writers or filmmakers or poets or musicians or comedians, by artists who had a different viewpoint in mind. I didn’t want what our culture is now demanding: safety and niceness and respectability. Inclusivity. I wanted to be confronted by things. I wanted to be challenged. I didn’t want to live in the safety of my own little snow globe and only be reassured by all the things I liked. To only be surrounded by things that coddled me and made me comfortable. I wanted to stand in other people’s shoes and see how they saw the world, especially if it was so far out of my comfort zone. I craved being shaken. I loved ambiguity. I wanted my mind changed. Getting upset and being damaged by art, being wiped out by the cruelty of someone’s vision of the world, whether it was Shakespeare or Scorsese, had a profound effect on me. It gave me empathy. It helped me realize that there was another world other than mine that existed with other viewpoints, with other opinions, and this aided me in becoming an adult. It moved me away from the narcissism of childhood.”

Link:
Archiv des Bret Easton Ellis Podcast
(auch im Podcast-Store auf dem iPhone kostenlos herunterladbar, übrigens)

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/popblog/2016/03/07/der-hervorragende-podcast-von-bret-easton-ellis-mit-quentin-tarantino-rob-zombie-kim-gordon-u-vm/

aktuell auf taz.de

kommentare

  • Ich finde keinen Podcast mit Rob Zombie, der Link führt zu David Shields?!
    Kommt da das Zitat her (welches in das Modulhandbuch eines jeden geisteswissenschaftlichen BA/MA Studiengangs gehört).

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert