vonChristian Ihle 20.03.2018

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

Mehr über diesen Blog

Wenn eine Band zum Start geradezu vor Kreativität überläuft, hat man immer ein wenig Angst, dass alles Pulver gleich verschossen wird. Nennen wir es das Oasis-Syndrom: anfangs so viele potentielle Nummer-1-Hits, dass eine Handvoll davon sogar als B-Seiten verbraten wurden, doch ab Album Nummer Drei mühsam um irgendeine Art von Relevanz bemüht.

Isolation Berlin starteten so furios wie kaum eine andere Band der letzten Jahre: zwei fantastische EPs plus eine Single – und dann die Eier zu besitzen, nichts davon aufs Debütalbum zu nehmen, sondern dafür einfach noch mal zwölf neue Hits zu schreiben.

Hier wurde ein eingebetteter Medieninhalt blockiert. Beim Laden oder Abspielen wird eine Verbindung zu den Servern des Anbieters hergestellt. Dabei können dem Anbieter personenbezogene Daten mitgeteilt werden.

Doch die ersten Konzerte nach kurzer Pause mit neuem Material im letzten Jahr hatten mich befürchten lassen, dass es den vier Berlinern doch schwer fallen würde, das immens hohe Niveau (unter anderem ja Song des Jahres 2015 und Album des Jahres 2016 hier im Popblog!) zu halten – zu wenig druckvoll wirkten diese ersten Gigs mit neuem Liedern.

Umso größer die Erleichterung, dass auch das dritte Album “Vergifte Dich” immer noch aus der deutschen Gitarrenlandschaft herausragt – was im Besonderen an den Lyrics von Sänger Tobias Bamborschke liegt, der mit seiner Art zu texten ein Solitär in der deutschen Musiklandschaft ist. Die Geschichten aus der Trinkhalle von nebenan kann vielleicht noch Sven Regener ähnlich gut erzählen, aber die world weariness, diese Müdigkeit bei gleichzeitiger Aggressivität gegen die Umstände ist selbst bei Regener nicht so zu finden wie bei Bamborschke.

Dass das nun eher polarisiert, verwundert wenig – allein der erste Satz auf dem neuen Album wird die potentielle Hörerschaft in Lover und Hater spalten

“Wenn du mich suchst /
Du findest mich /
am Pfandflaschenautomat /
Da hol ich mir zurück, was mir gehört! /
Und ich schwöre dir /
Ich schlage heute ein par Fressen ein /
Wenn mich noch mal jemand dabei stört”

Aber wie bei jeder Kunst, die etwas wagt und dem Mittelmaß die gestreckte Faust entgegenreckt, soll es auch genau so sein. Wer Konsens mit der Masse sucht, kann ja gerne weiter AnnenMayKantereitHuck hören.

Musikalisch ist “Vergifte Dich” stärker im Midtempo gefangen als die bisherige Isolation-Platten. Der Power-Pop von “Annabelle” und Co ist beinah gänzlich verschwunden, auch der harsche Post-Punk der “Körper”-EP hat nur noch seltene Gastauftritte. Gerade in der Mitte der Platte droht der Depressionsschwof überhand zu nehmen, doch mit der James-Dean-Bradfield-Gitarre in “Marie”, der Funkyness von “Kicks” und dem 60ies-Mod-Punk-Song “Die Leute” nehmen Isolation Berlin rechtzeitig wieder Schwung auf, um die Platte nicht im gequälten Welthass langsam verenden zu lassen.
So ist “Vergifte Dich” eben nicht der einfache Crowdpleaser geworden, den man nach dem ersten Erfolg vielleicht auch hätte erwarten können, sondern im Gegenteil ein schwierigeres Werk, das etwas Geduld und Offenheit verlangt und eben nicht die schnellen “Kicks” verteilt. Wer aber auf der letzten Platte sein Herz an “Schlachtensee” verloren hat (und wer nicht?), wird auch mit “Vergifte Dich” glücklich werden.

Hier wurde ein eingebetteter Medieninhalt blockiert. Beim Laden oder Abspielen wird eine Verbindung zu den Servern des Anbieters hergestellt. Dabei können dem Anbieter personenbezogene Daten mitgeteilt werden.

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/popblog/2018/03/20/platte-der-woche-isolation-berlin-vergifte-dich/

aktuell auf taz.de

kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert