vonSigrid Deitelhoff 16.04.2007

Prinzenbad-Blog

Freibad-Wetter, gefühlte Wassertemperatur, Gespräche und Gedanken unter der Dusche – der Blog über Deutschlands berühmteste Badeanstalt.

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Schwimm-Weltmeisterschaft in Melbourne 2007:
Ich bin ja so Eine, die sich leidenschaftlich gerne Schwimmwettkämpfe ansieht. Zur Zeit der Schwimmweltmeisterschaft in Melbourne im März hatte ich zum Glück gerade Urlaub. Natürlich habe ich oft vor dem Fernseher gesessen und immer zwischen den öffentlich-rechtlichen Kanälen und Eurosport hin- und hergezappt.

Die unterschiedlichen Informationen und Kommentare zu den Trainingsmethoden der SpitzensportlerInnen waren total spannend.
Z.B., dass Ryan Lochte beim 200m Rückenschwimmen den Weltrekord (WR) um Zwölfhundertstel unterbot und dies vor allem mit den Delphin-Kicks nach den Wenden erreichte.
Die Amis haben wissenschaftliche Studien zu den Delphinen betrieben und die daraus gewonnenen Erkenntnisse in ihr Delphinkick-Trainingsprogramm aufgenommen. Gerade Michael Phelps mit seiner Flut von Goldmedaillen und seinen ständigen Weltrekorden, mit denen er auch noch oft seine eigenen WR unterboten hat (z.B. beim 400m Lagen in 4:06,22), trainiert seit Jahren speziell Wendetechniken und Delphinkicks. Deutsche Trainer, die auf die Delphinkicks angesprochen wurden, meinten, diese könnten nicht einfach eins zu eins auf jeden Schwimmer übertragen werden. Das hängt eben auch stark vom Körperbau des Schwimmers ab.

Anne Poleska wurde im Interview nach dem Erfolgkonzept der AmerikanerInnen befragt, da sie seit einiger Zeit selbst in den USA trainiert. Sie glaubt, dass der Erfolg auch mit der hohen SchwimmerInnendichte an der Leistungspitze zu tun hat, aber auch mit den vielen Wettkämpfe, die die Amis schwimmen müssen.

Beim Anschauen der WM fragte ich mich, warum eigentlich so wenig farbige SchwimmerInnen bei den Schwimmwettkämpfen antreten. Cullen Jones ist, soviel ich weiß, der erste farbige Amerikaner, der bei einer Schwimm-WM angetreten ist. Ob es ein Indiz für Benachteiligung ist? Eine Schwimm-Vereinskollegin berichtete, dass Schwimmleistungstraining in den USA erst an der Universität stattfindet und die Poolbenutzung recht teuer ist.

Deutsche Schwimm-Meisterschaft 2007 in Berlin:
Am Wochenende war super Wetter, aber das Prinzenbad in Berlin hat leider immer noch geschlossen – im Gegensatz zu vielen Freibädern im Rest der Republik, so z.B. die Freibäder in Düsseldorf, Karlsruhe oder Mülheim. In Frankfurt (Main) gab es sogar einen Besucheransturm nach der Saisoneröffnung und in Essen wollten so viele Badegäste ins geöffnete Freibad, dass noch zusätzliche Eintrittkarten besorgt werden mußten.
Solche Meldungen wecken jedoch nicht die Berliner Bäderbetriebe der Hauptstadt aus ihrem Winterschlaf. Und die Wirtschaftsbilanz zu verbessern scheint eh niemanden zu interessieren. Geplant ist geplant und spontan geht nicht.

Aber so ganz ohne Schwimmbad mochte ich das Wochenende dann doch nicht verbringen. Also habe ich mich auf den Weg zur Deutschen Schwimmmeisterschaft (DM) gemacht, die in der SSE Landsberger Allee stattfand. Als Schwimmerin mußte ich passiv bleiben, habe aber aktiv alles für Euch beobachtet.

Einen Nachteil hat es ja, sich die DM live vor Ort statt im Fernsehen anzuschauen: Leider werden die Interviews mit den SchwimmerInnen und die Kommentare der TV-ModeratorInnen nicht in die Schwimmhalle auf die riesige Leinwand übertragen. Das war sehr schade. Ich bin ja so ein bißchen ein Fan von Mark Warnecke. Ich finde ihn erfrischend unkonventionell – ein querdenkender Schwimmer.
Nach dem schlechten Abschneiden bei der WM in Melbourne hat er sich leider an diesem Wochenende vom Schwimmleistungssport verabschiedet (im taz-Interview nachzulesen). Nachdem er sich vor Ort das 50m Brust-Finale der Männer angesehen hatte, wurde er von dem ARD-Moderator interviewt. Warnecke schwamm 2005 in Berlin den Deutschen Rekord von 00:27,44 – heute gewann Hendrik Feldwehr vom SSG HB/BHV mit 00:27,90. Das hätte Mark Warnecke wohl unterbieten können, wenn er am Finale teilgenommen hätte.

Einige neue Deutsche Rekorde wurden erschwommen: Thomas Rupprath toppte seinen Deutschen Rekord von 2005 (00:23,59) und schwamm jetzt die 50m Schmetterling in 00:23,46. Antje Buschschulte schaffte beim 50m Rückenschwimmen nicht nur den ersten Platz, sondern erzielte gleichzeitig auch den Deutschen Rekord mit der Zeit von 00:28,72. Bei diesen 50m-Strecken braucht man wohl Maximalkraft, aber auch viel Startglück neben einer sauberen Technik. Kamil Kasprowicz vom SV Wasserfreunde 98 Hannover legte die 200m Lagen in 2:00,47 zurück. Bisher hielt Christian Keller hier den Deutschen Rekord. Weitere neue Deutsche Rekorde gingen an Marco di Carli (100m Freistil in 00:48,88), Birte Steven im 200m Brustschwimmen (2:25,33).

Beim 400m Freistil der Frauen habe ich was Interessantes entdeckt! Franziska Jansen schwamm die ersten 50m mit einer 4er-Atmung (also nach jedem 4. Armzug eine Einatmung). Ich glaube, das wird selten bei Wettkämpfen gemacht. Sie war damit super schnell und schwamm an der Spitze. Dann wechselte sie zur 2er-Atmung, ihr Schwimmstil sah dann hektischer aus und sie fiel auf den 3.Platz zurück. Den ersten Platz errang Janina-Kristin Götz vom SC DHfK Leipzig. Sie machte durchgehend die 3er-Atmung.

Beim 200m Freistil der Frauen schwamm Annika Lurz ihre zweitschnellste Zeit (1:56,26), die sie je geschwommen ist. Antje Buschschulte holte beim 50m Schmetterling den 2. Platz und Katharina Schiller konnte beim 200m Lagenschwimmen auf der Bruststrecke einen enormen Vorsprung herausholen. Sie wurde Erste mit 2:14,96.
Beim Brustschwimmen habe ich beobachtet, daß die SpitzenschwimmerInnen dieser Disziplin beim Rückkreisen der Beine diese nicht ganz zusammenführen. Auch interessant!
Vielleicht spart das bei der Schwunggrätsche den weiteren Weg zum Anfersen der Unterschenkel, während die Verwirbelungen zwischen den Beinen für eine stabile Lage sorgen.

Und hier noch eine Schwimmtouristik-Idee:
Die äußeren Bahnen (am Beckenrand) neben der Bahn 1 und der 8 sind immer die 0-Bahnen. Sie werden bei den Wettkämpfen nicht benutzt und könnten eigentlich vermarktet werden, indem sie zu diversen Wettkampfgelegenheiten an Schwimmtouristen vermietet würden. Ähnlich wie bei den Weltraumtouristen, die viel Geld für diesen Thrill bezahlen. Wettkampfathmosphäre schnuppern beim Mitschwimmen! Die Pausen zwischen den einzelnen Wettkämpfen müssten dann allerdings etwas verlängert werden, damit die Touristen noch rechtzeitig vor der nächsten Disziplin am Beckenrand ankommen. Das Geld für die Bahnvermietung könnte für die Sanierung der anderen Schwimmbäder genutzt werden.

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https://blogs.taz.de/prinzenbad/2007/04/16/dt-schwimm-meisterschaft-und-die-wm-in-melbourne/

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kommentare

  • Tolle Idee, das mit dem Mitschwimmen! Wobei meine Disziplin die 1000 Meter Brust sind, was selten in offiziellen Wettkämpfen leider geschwommen wird.

    Übrigens, wo du Thomas Rupprath erwähnst, von ihm stammt eins meiner liebsten Sportzitate, nach einem Rennen über 50 (!) Meter Delfin bemerkte er mal: “Hintenraus hat mir die Kraft gefehlt!”

    Sonnige Grüße
    Die (falsche) Bademeisterin

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