vonSchröder & Kalender 23.10.2006

Schröder & Kalender

Seit 2006 bloggen Schröder und Kalender nach dem Motto: Eine Ansicht, die nicht befremdet, ist falsch.

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Der Bär flattert in nördlicher Richtung.
Wolfgang Müller von der ›Tödlichen Doris‹ hatte uns zur Nackt!-Benefiz von manCheck eingeladen. Jan, der die Veranstaltung mit organisiert hat, erwartete uns vor dem SO36 in Kreuzberg und begleitete uns Backstage. Solche höfliche Aufmerksamkeit ist ungewohnt. Dort trafen wir Diana Dart, die erst vorgestern bei uns war anläßlich einer kleinen Soireé zur Bildertausch-Ausstellung von Martin Eberle. Wir wußten von ihr, daß sie Künstlerin ist und die Puppen zur Sigmund-Freud-Ausstellung im Jüdischen Museum gemacht hat. Jetzt erfuhren wir, daß sie auch eine der bekanntesten Berliner DJanes ist. Auch mit den anderen Musikerinnen und Musikern, denen, die wir kannten wie Françoise Cactus und Brezel Göring, und denen, die wir gerade erst kennengelernt hatten, fühlten wir uns – so platt es klingt – wie in einer Familien-Kohorte. Namosh wählte uns dann auch gleich als ›Eltern‹-Figuren für einen Song aus.

Nach der Travestie-Diseuse Zazi de Paris, dem Auftritt von Electronicat! und der Amazone Bianca Butternut, die mit schöner klarer Stimme Country sang, nahmen wir bei Wolfgang Müller in einer Bühnenecke Platz, wie im Wohnzimmer mit Sofa, Stehlampe und Couchtisch.

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Wolfgang Müller brachte das Elfenlied und redete über seine Pubertät Anfang der Siebziger. Das Stichwort zur sexuellen Befreiung – with a little help from Günter Amendts ›Sexfront‹. Alle Songs und was sonst auf der Bühne geredet wurde übersetzten Gebärdendolmetscherinnen.

Jetzt fegte Miss le Bomb, eine Schottin in Berlin, über die Bühne. Die Frau ist toll! In der nächsten Pause sprachen wir über den März Verlag. Dann sang Wolfgang Müller ›Lache wider willen!‹ nach dem Text von Dieter Roth. Wir lachten dazu als Chor ins Handmikrophon. Es folgte der Auftritt von Frederik Schikowski und seiner Gang, die beim letzten Lied eine Mauer aus weißen Kartons zwischen sich und dem Publikum aufbaute. Leider durfte die Band diese Mauer zum Schluß nicht, wie geplant, eintreten. Die Feuerwehr hatte es verboten. Die Leute waren nämlich bis zur Rampe aufgerückt und einer der Kartons hätte Feuer fangen können. Wie auch immer, es war eine raffinierte, minimalistische Installation.

In der nächsten Umbaupause befragte uns Wolfgang zu Valerie Solanas’ ›Manifest der Gesellschaft zur Vernichtung der Männer S.C.U.M.‹, Barbara las die Briefstelle vor, in der Valerie Jörg zum ›Contact Man of the Mob‹ beförderte. Und Jörg erklärte, warum sie ihn später wieder absetzte. So kamen wir zum Frankfurter Weiberrat und dessen Flugblatt: »Befreit die sozialistischen Eminenzen von ihren bürgerlichen Schwänzen!« Im Kontext sang Wolfgang natürlich ›Das Penismuseum von Reykjavik‹. Es folgte das fulminante Europadebüt des New Yorker HipHopers Soce. The Elemental Wizard. Er nennt sich nicht nur so, er ist es! Später schenkte er uns seine CD ›The Lemonade Incident‹ und versprach, uns bei seinem nächsten Berlin-Aufenthalt zu besuchen. Jetzt gab es eine Live-Schaltung zu Khan nach Reykjavik. Wolfgang und Khan sprachen über das milde Wetter in Berlin und Island, dann sang Khan ein Lied.

Namosh: Seine Musik hat uns immer schon gefallen, aber wir hatten ihn noch nie live erlebt. Der Junge ist der Nijinski des Elektropunk, die reine ästhetische Ekstase. So müssen die rituellen Stierspringer in den minoischen Tempeln von Knossos sich bewegt haben. Das war Schönheit, pures Glück!

Zum Schluß rockten Stereo Total mit Françoise Cactus und Brezel Göring den Saal.

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Bei ›Liebe zu dritt‹ sangen alle mit, die Leute tanzten im Saal und auch auf der Bühne. Ein so schönes Fest haben wir lange nicht erlebt! Dank an alle Künstler für diese wunderbare Nacht!

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(BK / JS)

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