vonSchröder & Kalender 21.04.2007

Schröder & Kalender

Seit 2006 bloggen Schröder und Kalender nach dem Motto: Eine Ansicht, die nicht befremdet, ist falsch.

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Der Bär flattert in südöstlicher Richtung.

Als Blallas Buch fertig war, besuchte er uns wieder, brachte die Belegexemplare mit und ein Bild: »Das ist entstanden, bevor ich eure Geschichte kannte, aber jetzt kommt es mir so vor, als hätte ich das Bild speziell für euch gemalt.« Ja, sein ›Friede‹ illustrierte auf schlagende Weise die Idylle, in der wir lebten mit ihren grotesken Unterströmungen. Großzügig, wie er war, schenkte er uns noch eine andere Arbeit: ›Hommage an Vincent und seine vier kleinen Freundinnen Juliette, Yvonne, Marie und Josiane‹. Mit van Gogh hatte er sich beschäftigt, weil auch der bis an die Grenze ging. Inzwischen weiß man ja, daß van Gogh weniger irre war, als es gemeinhin dargestellt wurde. So muß man auch Blalla Hallmann sehen: empfindlich und leicht erregbar, aber nicht psychisch krank.

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Ende der Sechziger war er nach San Francisco gegangen, hatte dort Robert Crumb kennengelernt, arbeitete in der ›Insect Trust Gazette‹ und stellt in der Unicorn Gallery aus. 1969 suchte ihn nach einem Trip die Paranoia heim, er brachte dann in einem Wahnanfall den Verkehr auf der Golden-Gate-Brücke zum Erliegen. Deshalb wurde er aus den Vereinigten Staaten ausgewiesen, danach begann eine Kette von Aufenthalten in Nervenkliniken mit Selbstmordversuchen. Einmal wollte er sich mit dem Abflußreiniger »Rohrfrei mit dem Silbervogel« umbringen, überlebte aber auch diesen radikalen Versuch. »Es gehört eine Menge Selbsthaß dazu, sich ausgerechnet so etwas als Suizidmethode auszusuchen«, sagte ich zu Blalla, als ich diese Stelle in seiner Autobiographie las. »Im Gegenteil«, meinte er, »ich habe immer versucht, mich umzubringen, wenn es mir am besten ging.« Es ist nicht zu leugnen: Blalla hatte extrem selbstdestruktive Züge. Doch als wir ihn kennenlernten, war er stabilisiert, vielleicht auch durch die Anerkennung, die seine Arbeiten mittlerweile erfahren hatten.

Inzwischen war Blalla aus Berlin weggezogen und wohnte in Franken im Hause seiner Freundin Eva Zeltner, die in Windsbach als Zahnärztin praktiziert. Hier wollte er in Ruhe arbeiten und endlich etwas prosperieren, denn die Verkäufe liefen gut, bedeutende Galeristen wie Rudolf Zwirner zeigten seine Werke, und die erste Einzelausstellung in der Ostdeutschen Galerie stand bevor. Dieses Museum in Regensburg ist eine Einrichtung des Bundes, das herausragende Werke von Künstlern aus den ehemaligen deutschen Siedlungsgebieten in Ost- und Südosteuropa besitzt. Trotz ihres bedeutenden Bestandes galt die Sammlung bis zum Ende der achtziger Jahre als ein Revanchistenmuseum. Das änderte sich, nachdem 1992 der Kunsthistoriker Lutz Tittel zum Direktor bestellt wurde. Der neue Kurator machte sich einen Namen mit Ausstellungen zum Beispiel von Markus Lüpertz und schließlich Blalla W. Hallmann – im Sinne des Gesetzes war Blalla nämlich Vertriebener, da er im Riesengebirge geboren wurde, das heute zu Polen gehört.

Die Vorbereitungen für seine Ausstellung im Regensburger Museum stimmten Blalla euphorisch. Der ehemalige Documenta-Kurator Manfred Schneckenburger schrieb das Vorwort für den Katalog mit dem Titel: ›Die engelhafte Kunst, Teufel zu malen‹. Dann rief Blalla im Januar 1997 an und sagte lakonisch: »Ich habe Krebs.« Schon vor Weihnachten klagte er über Schmerzen im Oberschenkel, jetzt stellte sich heraus, der Krebs saß in diesem Knochen und hatte auch die Leber befallen. In der Würzburger Onkologie begann er eine Chemotherapie, er war optimistisch, die Krankheit in den Griff zu bekommen. Wenn etwas an der These dran wäre, daß positives Denken den Krebs besiegt, dann hätte Blalla gesund werden müssen, er stürzte sich geradezu in die Arbeit.

Nach der Eröffnung besuchten wir mit Blalla die Ausstellung. Es war verwegen, diese antiklerikalen und antinazistischen Bilder ausgerechnet im schwarzen Regensburg zu zeigen: ein masturbierender Hitler, defäkierende Nonnen, Christus und die beiden Schächer als Micky-Maus-Figuren an ihren Kreuzen unter der Überschrift »Es ist vollbracht«. Dazu die Linolschnitte mit den Texten aus seiner Autobiographie ›Der Weg, die Wahrheit und das Leben‹. Darin stehen Sentenzen, die in einem katholischen Umfeld geradezu verheerend wirken mußten. »Woher nimmt Lutz Tittel den Mut, hier solche Bilder zu zeigen?«, wunderten wir uns. Und tatsächlich wurde etwas von langer Hand vorbereitet. Man ließ zwar die Ausstellung planmäßig bis Mitte März laufen, aber gleich danach wurde dem Museumsdirektor fristlos gekündigt und Hausverbot erteilt. Der vorgeschobene Grund für den disziplinarischen Akt: Tittel habe nachts nach einer Vernissage in Zagreb an einen Laternenpfahl gepinkelt.

Parallel dazu ermittelte die Staatsanwaltschaft gegen den Künstler Hallmann wegen »Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgemeinschaften und Weltanschauungen«. Er rief mich an: »Die Kripo hat mich jetzt vorgeladen, obwohl doch die Ausstellung beendet ist und ich die Bilder schon abgeholt habe.« Ich riet ihm: »Du brauchst einen guten Rechtsanwalt. Setz dich mit Albrecht Götz von Olenhusen in Verbindung.« Was Blalla tat. Kaum hatte sich Albrecht bei den Bullen gemeldet, ließen die das Verfahren fallen. Denn ein Skandal sollte unter allen Umständen vermieden werden. Clever gemacht von den Behörden: Sie hätten den Maler gern vor Gericht gezerrt, weil sich aber ein Presserechtsanwalt meldete, bestand die Gefahr, daß die Medien einstiegen. Da hieß es: Sich bloß nicht dem Vorwurf der Zensur aussetzen! Deshalb wurde das Verfahren sofort eingestellt. So bringt man den Künstler auch noch um den Presserummel. Was lernen wir daraus? In diesen Zeiten mit provokativer Kunst auf einen Skandal zu setzen, ist aussichtslos. Übrigens, mit dem Museumsdirektor Lutz Tittel verglich sich der Bund später vor dem Arbeitsgericht. Man beurlaubte ihn bis zur Pensionierung bei voller Gehaltszahlung. Das kostet die öffentliche Hand ja nur die Kleinigkeit von eins Komma fünf Millionen Deutsche Mark.

(BK / JS)


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