vonSchröder & Kalender 13.07.2007

Schröder & Kalender

Seit 2006 bloggen Schröder und Kalender nach dem Motto: Eine Ansicht, die nicht befremdet, ist falsch.

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Der Bär flattert in nördöstlicher Richtung.

Wir sitzen in Kreta, in diesem Rethimnon, einem Städtchen zwischen Iraklion und Chania, ein Fischerstädtchen und Residenzhafen, die Venezianer haben es gebaut, sehr nett. Nur wahnsinnig viel Sknipa gab es, Mücken, weil sie nämlich die Malaria dort erst vor zwanzig Jahren ausgerottet haben. Aber so was erfährst du immer erst hinterher, wenn du schon wie ein Streuselkuchen aussiehst.

Nebenan hatten wir eine schwäbische Pfarrersfamilie, sie war Schwäbin, also »Grüß Gott, Herr  Pfarrer«, und ihre Eltern deshalb auch, er aber war Norddeutscher. Sie hatten eines dieser grauenhaften Pfarrerskinder, so ein Kind heißt Ulrich, und weil es ein Pfarrerskind ist, mußte noch ein Bollermann drauf, sprachlich, und deswegen riefen sie es Ullerich. Ullerich war verzogen, ein greuliches Blag, bei dem du nur noch ans Abmurksen denkst, an Ritualmorde und Brunnen, in die man das versenken kann. Wir wurden ihn auf humane Weise los, es gab dort nämlich einen großen Rattenkaiser. Ratten liebt man ja in freier Wildbahn nicht sonderlich, ist klar, warum das so ist, braucht man kein Wort darüber zu verlieren, nur als Feuilletontiere finden alle Leute Ratten gut. Ich bin auch kein Freund dieser Tiere, aber, wenn du so eine Ratte vereinzelt siehst, plötzlich auf einem Kies, und es ist eine große Ratte, und diese Ratte hat Klöten … Ich hatte vorher noch nie einen Rattenbock gesehen, noch nie einen mit zwei so großen Eiern, das ist ungewöhnlich. Gewöhnlich sieht man nicht die Hoden und wenn schon, dann nicht solche großen. Jedenfalls sagte ich zu Barbara: »Guck mal, der hat Klöten«, und tatsächlich hatte er welche und war griechisch frech.

Die Griechen kümmern sich nicht sehr um Ratten, haben ja alle Hunde oder Katzen, um die Tiere fernzuhalten. Trotzdem gibt es ausreichend Ratten am Strand, ab und zu beißt ein Hund eine tot, dann bleibt sie liegen. Die Touristinnen und Touristen übersehen das geflissentlich, da können ruhig drei tote Ratten liegen, die sehen sie einfach nicht, oder sie sagen, wenn sie eine huschen sehen: »Ach, eine Maus.«

Also wir sitzen auf unserer Terrasse mit den wunderschönen karmesinroten Benn-Blumen, die im Wind schwingen, Bougainvillea. Draußen auf dem Vorplatz sitzt Ullerich mit seinen Kreta-Kieseln, und »wääää, wäää, wäää …« Plötzlich kommt der Rattenmann aus seinem Loch und gesellt sich zu Ullerich.

Wir unterhielten uns dann nachmittags angelegentlich darüber, denn die Pfarrer hatten immer das Ohr an der Terrassenwand. deshalb redeten wir auf dem Balkon über Ullerich und seinen Rattenspielkameraden, und seitdem quäkte er nie mehr vor unserer Terrasse.

Wieso komme ich, wenn ich jetzt etwas über die schwarzen Stiefel erzählen will, auf die kretischen Ratten? Ja. Wir sitzen in einer Taverna in Platanes, essen unsere Pikilia, diese erweiterten Mese, billig und die orientalische Fülle simulierend. Im einzelnen sind es dann zwar auch nur Oliven, Cocktail-Würstchen, irgendwie Taramossalata und Tsatsiki, so fünfzehn Teller, und besonders gut die Schnecken. Also unsere Lieblingstaverna, die Pikilia gut, wir essen und haben sie schon zwei-, dreimal aus den Augenwinkeln gesehen, wie die anderen Flaneure auch, die vorbeigehen, diesen sonderbaren Zwingfett mit dem grobgeflochtenen Strohhut, zwanghaft auf dem Kopf, wie eben auch Popelinekopf mit seinem Opel Kadett unter unsere Kastanienbäume in Leeder fuhr, ein festgeschweißter Hut, den man nicht abnehmen kann, wie die preußische Pickelhaube. Und neben sich eine hübsche Frau, sie geht mit dem Typen wie Herr und Hund spazieren. Er, der in seinen blöden Tretern aussieht wie ein häßlicher Spießer. Das hat man einfach gesehen, hier ist nicht die große Kohle, der Amtsrat oder der Diplomingenieur bei Siemens, der eine Frau aus dem Volk beglückt, sondern ein Arschkopf, ein Kreuzworträtsellöser.

Wir essen unsere Pikilia, da sitzen sie plötzlich in unserer Nähe, wissen immer noch nicht, was wir da auf dem Teller haben nach vierzehn Tagen. Das haben sie an sich, solche Leute, nicht zu wissen, was man essen kann, und das ohne Worte mitzuteilen. Es war ihr letzter Abend, erfuhren wir dann ungefragt, wir wollten noch eine Woche bleiben. Darauf achteten wir sorgfältig, wir lieben Kontakte, aber auch nur so, daß es sich nicht allzusehr ausweitet, da muß man immer aufpassen, wie lange bleiben solche Leute noch. Denn es ist ja schön, sich mal zu verbrüdern, nur wenn du sie dann dauernd auf der Pelle hast, das muß nicht sein. Sie stierten mit stummem Glotzen auf unsere Pikilia rüber, wußten nicht, das es so was gibt. Wir redeten deutsch, und sie redeten deutsch, also sagten wir freundlich: »Ja, das können Sie auch bestellen, es ist eine Pikilia.« Da kam der Strohhut sofort rübergerückt und seine Jana auch, so hieß die Frau nämlich. Und wir erfuhren ungefragt von Strohhut, daß er sich die schöne Frau aus Tschechien geholt habe. Wir aßen, also luden wir sie ein mitzuessen. Als Gegenleistung versprachen sie uns ihre Mückenvertilgungsmaschine. Denn essen, das lernen sie in vierzehn Tagen nicht, aber das Autan von Bayer, das hatten sie uns voraus.

Wir verstanden nicht, warum wir so verstochen waren und die anderen nicht, waren damals eben tatsächlich so blöd, nicht zu wissen, daß es Giftapparate gibt, also Verdampferstecker. Du legst kleine blaue Platten rein, die sind, wenn sie aus Deutschland kommen, parfümiert, haben natürlich den gleichen Dreck drin, aber wenn sie aus Griechenland kommen, hast du es volles Rohr, das stinkt wie Bayer aus Tonne 17. Wir hatten nächtelang Mücken gejagt, das wäre nicht nötig gewesen. Allerdings waren wir auch nicht so krank wie die meisten Leute. Wir waren nur verstochen, sonst ging es uns gut. Die meisten hatten nämlich dicke Augen, wir dachten, das ist das Meer und zuviel Sonne, und Ekzeme. Und »öhöm, öhöm« der trockene Husten, na, wir schoben es auch auf die Aircondition. Alle hatten sie Kopfschmerzen und klagten: »Ach, nein, ich kann keinen Wein trinken, ich habe ja so einen dicken Kopf!« Das hörten wir ständig von den Nachbartischen. Wir hatten uns das Maul zerrissen und gesagt: »Kein Wunder, die liegen den ganzen Tag in der Sonne, die haben einen Sonnenstich.« Aber es waren schon die blauen Plättchen.

(BK / JS)

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