vonSchröder & Kalender 17.07.2007

Schröder & Kalender

Seit 2006 bloggen Schröder und Kalender nach dem Motto: Eine Ansicht, die nicht befremdet, ist falsch.

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Der Bär flattert in östlicher Richtung.

Unsere Presseerklärung diktierte ich am 19. März den Agenturen durchs Telefon, sie ging um vierzehn Uhr über den Ticker. Die Zeitungen verwöhnten uns liebevoll mit ihren Nachfragen. Oben schmorte der Generalbevollmächtigte und gab händeringend wolkige Bulletins ab, die wir am nächsten Tag im Anschluß an unseren Text überall nachlesen konnten: »Herr Melzer mußte aus wirtschaftlichen Gründen plötzlich eine unaufschiebbare Reise zur Buchmesse nach Jerusalem antreten.« Das war zwar gelogen, denn Joseph Melzer hatte nie einen Stand auf dieser Messe, noch wurde dort vom Verlag je ein Geschäft abgewickelt. Trotzdem, die Ausrede war ganz raffiniert. Danach aber hatte Kurzhals sein Pulver verschossen: »Ich sehe Möglichkeiten zu Maßnahmen gegen den März Verlag erst, wenn Herr Melzer zurückgekehrt ist. Zur Zeit stehen mir die notwendigen Unterlagen nicht zur Verfügung. Der Verlag wird von dem Ausscheiden der Belegschaft nicht betroffen, er läuft in seiner Arbeit weiter.« Das amüsierte uns und die Journalisten.

Der Coup war gelungen, aber ich hatte nur knapp zweitausend Mark auf dem Konto. Zwar gab es für eine Viertelmillion Olympia-Press-Bestellungen, jedoch fehlten lumpige fünftausend fürs Porto der ersten Auslieferung. Die BfG wollte mir wegen der »unsicheren Rechtslage« keine Überziehung genehmigen. Da kam als Retter Gunter Rambow vorbei, er hatte etwas läuten hören, meinte: »Kein Problem, das Atelier Rambow und Lienemeyer leiht dir das Geld für einen Monat.« Diese großzügige Geste werde ich dem elenden Hund trotz aller Gemeinheiten, die er sich später leistete, nie vergessen. Wir konnten loslegen!

 

Aber zuvor machte Gunter noch das Gründungsfoto: Hinter uns ein leeres Regal, links der Subcomandante Schröder in Pullover und Schal mit einer Lederschiebermütze aus der DDR – eine Leihgabe von Uve Schmidt, das einzige revolutionäre Attribut auf dem Bild –, neben ihm Adolf Heinzlmeier, starrer Blick in die Ferne, dann Anne Hansal, verhuscht, aber schon verliebt zu Beitlich plierend, was mir damals leider noch nicht auffiel. Rechts außen also Peter Beitlich in Suhrkamp-Buchmessestand-Pose, zwischen ihm und Anne steht Traudel Brand, die als einzige wirklich locker ist.

Nein, Karl Dietrich Wolff war nicht mit auf dem Foto, konnte er auch gar nicht, ich telefonierte doch erst am Abend des zweiten Tages der März-Revolte mit ihm über die glückliche Entwicklung. »Stell dir vor, Girodias hat uns grünes Licht für die Olympia Press gegeben, und wir haben den März Verlag gegründet. Du wirst es morgen in den Zeitungen lesen. Die Pornos produzieren wir mit Lieferantenkrediten, fürs Porto hat mir heute einer fünftausend Mark geliehen. Aus den Gewinnen der Olympia Press werden wir den März Verlag finanzieren. Meine Frage: Willst du mitmachen?« Und er wie aus der Pistole geschossen: »Klar! Ich komme morgen vormittag vorbei. Aber hör mal, wenn uns Geld fehlt, ich kenne da einen, der hat fünfzigtausend Mark frei. Sebastian von Johnston, ein Siemens-Erbe, der hier in Frankfurt rumsitzt. Als der im ›Spiegel‹ gelesen hatte, daß ich zu Melzer gehe, fragte er mich, ob er da nicht auch arbeiten könne.« »Was soll das heißen?« »Du, von dem könnten wir fünfzigtausend kriegen!« Hätte mir eigentlich zu denken geben müssen, hat es aber nicht. Ich sagte nur: »Ja von wegen, Kade, ich bin den einen Verleger gerade losgeworden, da willst du mir schon einen neuen andienen. So was habe ich vier Jahre lang genossen, Melzer hatte nur Schulden, aber kaum macht der Laden Gewinn, läßt der mir die fristlose Kündigung überreichen. Und wie stellst du dir vor, soll das erst gehen, wenn einer mit fünfzigtausend kommt? Wem gehört dann der Verlag?« »Ja, ich verstehe, ich muß das Geschäft wohl erst noch lernen.«

(BK / JS)

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