vonSchröder & Kalender 23.09.2007

Schröder & Kalender

Seit 2006 bloggen Schröder und Kalender nach dem Motto: Eine Ansicht, die nicht befremdet, ist falsch.

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Der Bär flattert in nördlicher Richtung.

Vielleicht war heute der letzte schöne Spätsommersonntag, und weil ich (B) gelesen hatte, daß im Britzer Garten eine herbstliche Dahlienschau präsentiert wird, fuhren wir zur Hermannstraße und dann weiter zum Bukower Damm.

Ich (B) liebe Blumen, außer Sonnenblumen, und besonders Dahlien, die Blumen der Azteken mit ihren unzähligen pompösen Züchtungen. Wer sich ebenfalls für diese Blumen interessiert, dem empfehlen wir das amüsante Buch ›Die Reisen mit meiner Tante‹ von Graham Greene – wahrscheinlich der größte aller Unterhaltungsschriftsteller des 20. Jahrhunderts. Greene sagt über diesen Roman: »Es ist mein erstes Buch mit Freilauf.« Und die Times schrieb: »Es ist als hätte Shakespeare nach seinen Tragödien nicht den ›Sturm‹, sondern ›Charleys Tante‹ geschrieben.« Eine kleine Leseprobe?

Ich war wieder zu Hause, an einem Spätnachmittag und ging in meinen Garten. Ich sah, daß Major Charge die Dahlien vernächlässigt hatte; sie liebten es, als ich sie goß. Die ausgetrocknete Erde sog das Wasser durstig ein. Ich sah förmlich, wie die Blumen ihre Blütenblätter zum Dank aufrichteten. Aber die Deuil du Roy Albert waren schon zu weit hinüber, um sich zu erholen, dafür nahmen die Farben der Ben Hurs neuen Glanz an, als wäre der Durst des langen Wagenrennens nur noch eine blasse Erinnerung. Major Charge blickte über den Zaun und fragte: »Angenehme Reise gehabt?«
»Ganz interessant, danke«, erwiderte ich zurückhaltend und goß das Wasser in einem dicken Strahl auf die Wurzeln. Die Tülle, mit der man nur sprengen kann, hatte ich abgenommen.
»Ich habe mich sehr bemüht«, sagte Major Charge, »ihnen nicht zu viel Wasser zu geben.«
»Ich sehe es, die Erde ist ganz trocken.«
»Ich halte Goldfische«, sagte Major Charge. »Jedesmal, wenn ich fort bin, gibt ihnen die dämliche Putzfrau zu viel Futter. Wenn ich dann wieder heimkomme, ist von den armen Teufeln nur noch die Hälfte am Leben.«
»Blumen und Goldfische sind zweierlei, Herr Major. In einem so trockenen Herbst wie dieses Jahr vertragen die Dahlien sehr viel.«
»Ich hasse Exzesse und Extreme«, sagte Major Charge. »Genau wie in der Politik. Auf Kommunisten und Faschisten kann ich verzichten.«
»Sie sind ein Liberaler?«
»Du guter Gott«, sagte er, »wie kommen Sie denn darauf?!«
Und damit verschwand er.

Nachdem wir vier Euro gezahlt hatten, spazierten wir einen Kilometer lang durch eine sogenannte »Spontanvegetation« – immer wieder toll, was sich Techno- und Ökokraten für Wortschöpfungen einfallen lassen – vorbei an Bienenstöcken, Schafen und sonnenden Menschen bis zum Kalenderplatz.

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Von hier aus geht man nach rechts, dort blühen die Dahlien.

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Nach dem grandiosen »Dahlienfeuer« spazierten wir durch den Park, lachten über das Café am See, das angeblich die Silhouette der Hügel aufnimmt. Tatsächlich sieht es aus wie eine Geisterbahn – eine architektonische Untat zur Bundesgartenschau 1985.

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Vergnügen bereitete uns auch der Ernst einer Modellbaufamilie. Im Vorbeigehen erhaschten wir den Stoßseufzer der Modellbaufrau. Sie sagte zu einem Bekannten: »Nein, seit wir die Boote haben, kommen wir gar nicht mehr zum Laufen. Wir gehen nur bis hierher und lassen sie fahren.«

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Im Staudengarten verschwanden zwei Männer in einer mit Weinlaub berankten Laube. Einer der Männer sagte zum anderen: »Los komm, wir roochen ma eene, laß die Frauen weiter kieken.« Und der andere: »Jut, det könn wir uns hier drinne doch ma erlauben.«

(BK / JS)

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https://blogs.taz.de/schroederkalender/2007/09/23/dahlienfeuer-und-raucherlaubnis/

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kommentare

  • liebe Barbara & Joerg,
    herzlichen Gruss aus San Francisco.
    …die fantastische Kuppel des Britzer Dahlienfeuerkaffees sieht wirklich beeindruckend aus!
    Man koennte in manchen Strassen von San Francisco Treppenlifter einbauen, das wuerde mir gefallen. Namosh meinte, dass ich meinen Namen fuer meinen Aufenthalt hier aendern sollte: Wolfgangbang. Naja, ich weiss nicht.

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