vonSchröder & Kalender 30.06.2008

Schröder & Kalender

Seit 2006 bloggen Schröder und Kalender nach dem Motto: Eine Ansicht, die nicht befremdet, ist falsch.

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Der Bär flattert munter in östlicher Richtung.


Am Samstag waren die Schriftstellerin Annett Gröschner und der Dichter Ralf S. Werder bei uns zum Abendessen. Zwischen Salat und Lammhaxe verliehen wir Annett den März-Efeu, ein Literaturpreis, den wir seit 1999 an Autorinnen und Autoren verleihen, die wir im März Verlag, wenn er noch ein allgemeines Programm produzierte, gern verlegen würden.

Die bisherigen Preisträger sind (in der Reihenfolge der Verleihung): Florian Felix Weyh, Franz Dobler, Wiglaf Droste, Gerhard Henschel, Albrecht Götz von Olenhusen, Paulus Böhmer, Johannes Ullmaier, Thomas Kapielski, Jürgen Roth, Jamal Tuschick, Wolfgang Müller, Françoise Cactus, Annett Gröschner.

An einem Wochenende unternahmen wir mit Annett und Ralf eine Landpartie nach Rheinsberg. Ralf ist dort aufgewachsen. Wie es sich gehört, war die Reise ereignisreich: Schloß, Park, Landschaft, See und Tucholskymuseum schön und sehenswert.

Wir hatten ein Kleingruppenticket gelöst und saßen im Rheinsberger, in dem ein fröhlicher, rundlicher Zugbegleiter Kaffee verkaufte und uns auf Unebenheiten des Schienenweges aufmerksam machte: »Vorsicht! Jetzt kommt gleich eine Weiche, da müssen Sie dann mit dem Kaffeebecher mitgehen.« Jörg sagte: »Wir hatten noch nie so eine fürsorgliche Beratung. Wir werden Sie Herrn Mehdorn als Schwellenberater vorschlagen.« Und er: »Ne, ne, bei Schwellung muß man an den Zahnarzt denken, ick bin für Weichenberatung.«


v.l.n.r. Jörg, Annett, Ralf

Unser Cicerone zeigte uns die Sehenswürdigkeiten Rheinsbergs: Wir wanderten durch die Parkanlage, betrachteten das nachgebaute Grabmal des Vergil und den Obelisken des Prinzen Heinrich, der an die durch seinen Bruder Friedrich II. nicht öffentlich gewürdigten Helden des Siebenjährigen Krieges erinnern soll. Bekanntlich verbrachte Friedrich II. in Rheinsberg seine Jugendjahre mit Lektüre und Flötenspiel und ungeliebten Manövern seines Regiments, nachdem sein Vater ihn aus Staatsraison wegen seiner geplanten Flucht fast hätte enthaupten lassen.

Natürlich besichtigten wir auch das Tucholsky-Museum, aßen zu Mittag mit Blick auf den See und wunderten uns über die vielen Rollstuhlfahrer. Wir erfuhren, daß die Familie Henckel von Donnersmarck hier eine Ferienanlage für Rollis betreibt. Florian Graf Henckel von Donnersmarck, der einen Oscar für den Film ›Das Leben der Anderen‹ gewann, gehört zur Familie. Wir mieteten ein Ruderboot und fuhren raus auf den See.

Ralf ruderte vom Yachthafen durch den Grienericksee bis zum Kanal, dann ruderte Barbara durch den Kanal und schließlich Annett. In der südlichen Bucht des Großen Rheinsberger Sees begann der Wind heftig aufzufrischen, auf den Wellen zeigten sich bereits kleine Schaumkronen, und wir kamen nicht voran. Unser Kahn schaukelte bedrohlich auf den quer kommenden Wellen. Von den Booten, die wir vorher gesehen hatten, war keins mehr auf dem Wasser, alle hatten sie am Ufer festgemacht.

Ralf brauchte seine ganze Kraft – und der Mann ist drahtig! –, trotzdem bewegten wir uns kaum. Die Wellen schlugen immer heftiger gegen das Boot, und Ralf sagte trocken: »Gleich brechen die Riemen!« Jörg wollte die Telefonnummer des Bootsverleihs wählen, aber Ralf versuchte, die Remusinsel zu erreichen. Es gelang mit knapper Not.

Auf der Insel erzählten wir uns erleichtert die Geschichten von Odysseus, der Poseidon erzürnte, weil er seinen Sohn, den Zyklopen Polyphem geblendet hatte. Auch uns hatte ja der Boreas erfaßt, der Nordost blies. Aber als wir auf Remus so intensiv über Poseidon redeten, hatte der ein Einsehen und der Wind legte sich. Erst jetzt erzählte uns Ralf: »Glück gehabt. Zwei junge Männer, die an Silvester mit dem Boot auf dem Großen Rheinsberger See waren, kamen nicht wieder, er ist an manchen Steillen 30 m tief.«

Um Punkt sieben trafen wir beim Bootsverleiher ein, er begrüßte uns mit den Worten: »Ich dachte schon, Sie sind abgängig!« Annett schlug vor: »Nach diesem glücklich bestandenen Abenteuer gehen wir ins beste Haus am Platze und trinken einen Rotwein.« Das taten wir und bestellten dazu eine Käseplatte.

Dann spazierten wir zurück zum Bahnhof, vorbei an der Ausstellung ›Odysseus landet am Bollwerk Rheinsberg‹.

Abends am Bahnhof sahen wir eine andere Attraktion, ein museales Überbleibsel des aufgelassenen Atomkraftwerkes Rheinsberg, worüber Annett ein Buch geschrieben hat.


Ost-Castor

(Fotos: Ralf S. Werder / BK / JS)

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