vonSchröder & Kalender 14.06.2012

Schröder & Kalender

Seit 2006 bloggen Schröder und Kalender nach dem Motto: Eine Ansicht, die nicht befremdet, ist falsch.

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Der Bär flattert heute nicht.
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Dienstag, den 12. Juni 2012


Flora et labora, die erste Support-Ausgabe geht auf die Reise. (Foto: Barbara Kalender)

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Abends auf dem Balkon lasen wir in der FAZ einen Artikel zum 60. Geburtstag des Bundesarchivs.  2004 waren wir wieder auf Wohnungssuche in Berlin und mieteten meist eines der günstigen ›virt’otel‹-Appartements, die ein junger Unternehmer vermittelte. Dieses Mal war in der City aber alles ausgebucht, deshalb landeten wir in Lichterfelde-Ost in einer Anlage für Beamte des Bundesarchivs. Für die Bundesbehörden ist ja bekanntlich uferlos Geld vorhanden. So residiert das Berliner Bundesarchiv in einem riesigen, ehemals preußischen Kasernenkomplex, den die Wehrmacht und später die Amerikaner nutzten. Nach der Vereinigung wurden die Gebäude zum Teil abgerissen, zum Teil entkernt und restauriert. Gleichzeitig baute der Bund, um den alten Bestand herum, einen luxuriösen Hotel- und Appartementkomplex für Beamte, die ständig von Koblenz und den anderen Standorten des Archivs nach Berlin pendeln. Da aber die meisten Appartements leerstehen, mietete der ›virt’otel‹-Mann dem Bund einige für’n Appel und ’n Ei ab, denn wir zahlten wenig für die sehr komfortable Unterkunft.

Es ist verrückt, dass viele Bundesbeamten ständig in Berlin arbeiten, aber nach wie vor ihren Hauptsitz im Westen behalten. Nur achttausendsiebenhundert Beamte der Bundesbehörden wohnen und arbeiten in Berlin, während zehntausend nach wie vor in Bonn oder anderswo sitzen und von Köln-Wahn nach Berlin fliegen, diese Bundesbeamten sind ständig auf Staatskosten in der Luft. Solche Steuergeldverschwendung wird durch das Berlin-Bonn-Gesetz geregelt, das notwendig war, um Berlin wieder zum Regierungssitz machen zu können und um Schaden von Bonn abzuwenden.

Bonn wäre angeblich sonst wirtschaftlich ruiniert gewesen. Ein Blödsinn, andere Städte leben auch ohne Bundesbehörden. Tatsächlich haben die Beamten sich dieses Schilda-Gesetz in ihrem ureigenen Interesse auf den Leib geschrieben, weil sie einfach keine Lust hatten, mit Sack und Pack umzuziehen. Was die Beamtenkaste mittels der von ihr formulierten Sozialgesetze jedem anderen Arbeitnehmer zumutet, gilt natürlich nicht für sie selber. Die doppelten Kosten in Höhe von Abermillionen rügt kein Rechnungshof. Kein Wunder, denn der blieb auch in Bonn, und die Beamten reisen eben gern nach Berlin, Metropolenluft schnuppern, während ihre grünen Witwen in Bonn, Koblenz, Freiburg oder Rastatt hinterm Jägerzaun vertrocknen.

Nicht nur Beamte, auch Akten sind ständig von Ost nach West und vice versa unterwegs. Jedes Schriftstück, das in Bonn oder Berlin anfällt, wird im Bundesarchiv gelagert – ausgenommen natürlich die Minol-Materialien! Die hat ja Helmut Kohl persönlich in den Reißwolf gesteckt. Zwar hat inzwischen das Fraunhofer Institut ein Programm entwickelt, mit dem man zerrissene Unterlagen digital wieder zusammenfügen kann. Aber das wird natürlich nur bei Stasi-Akten angewendet.

Eine Woche lang lebten wir in diesem luxuriösen Appartement zu einem Preis wie in Thailand. Tagsüber fuhren wir mit dem Auto und besichtigten Wohnungen, abends gingen wir zu Fuß zur alten S-Bahn-Station Lichterfelde-Ost, weil wir uns in der Stadt mit Freunden trafen und wegen der Trinkerei nicht mit dem Wagen fahren wollten. Und wenn wir die Königsberger Straße entlangliefen, beäugten uns misstrauisch die immer gleichen Nasen im Café. Die kurze Zeit unseres Aufenthaltes dort reichte den Lichterfelder Speckgürtelbewohnern, uns als Störenfriede ihres gepflegten ›Dogville‹ auszumachen.

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Mittwoch, den 13. Juni


(Foto: Barbara Kalender)
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Am Wochenende finden die Linken Buchtage statt. Wir haben dort einen Stand und freuen uns über Besuche. »Kommen Sie massenhaft und bleiben Sie nicht zu lange!« (frei nach Gottfried Benn)

10. Linke Buchtage, Gneisenaustr. 2 a, 10961 Berlin, U6 / U7 Haltestelle Mehringdamm. Der Eintritt ist frei!

Freitag, den 15.06.: 17 bis 22 Uhr
Samstag, den 16.06.: 11 bis 22 Uhr
Sonntag, den 17.06.: 11 bis 17 Uhr

Wir packten zwei Rollkoffer mit antiquarischen Büchern aus dem alten März-Verlag, die wir zu günstigen Preisen anbieten werden.

(BK / JS)

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https://blogs.taz.de/schroederkalender/2012/06/14/ums-bundesarchiv-herum/

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