vonSchröder & Kalender 20.06.2012

Schröder & Kalender

Seit 2006 bloggen Schröder und Kalender nach dem Motto: Eine Ansicht, die nicht befremdet, ist falsch.

Mehr über diesen Blog

***
Der Bär flattert in nördlicher Richtung.
***
Sonntag, den 17. Juni 2012


Barbara Kalender hilft bei Merve aus, Björn macht mal Pause. Foto: Jörg Schröder
* * *

Pünktlich um 11 Uhr hätten wir nicht am Stand sein müssen, das Publikum kam erst viel später.


v.l.n.r.: Evelyn Rahm und Ralf Baumgart, der die Linken Buchtage mitorganisiert, Foto: Barbara Kalender
* * *
Mit Evelyn Rahm, die die Pressearbeit für den Verbrecher Verlag macht, unterhielten wir uns über die Mühsam-Tagebücher. Barbara liest gerade im Band 2, während Jörg ›Regulierte Anarchie‹ von Christian Sigrist liest. Evelyn erwähnte Mühsams Notiz im Tagebuch: »Das Geld reicht für ein Jahr.« Kurze Zeit später schrieb er: »Das Geld reicht für ein halbes Jahr«. Zum Schluss reichte das Honorar nur für drei Monate, weil Mühsam es zusammen mit seinen Freunden verbraucht hatte, er teilte gern. Dazu ein anderes Zitat aus dem 2. Band der Tagebücher:

»München, Dienstag, d. 16. April 1912. Der Geldmangel wird nachgerade peinlich fühlbar. Jaffé ist noch nicht von seiner Reise zurück, die Sache mit dem Verlage Langen ist mindestens sehr unsicher, ebenso die Mitarbeiterschaft beim ›Simplizissimus‹. Heut war ich auf der Redaktion, traf aber nur Olaf Gulbransson, mit dem ich mich zum Billardspiel verabredete. Morgen will ich wieder hin. Vielleicht hole ich wenigstens 20 Mk für das Gedicht ›Ein kleines Abenteuer‹ heraus, das seit 1 1/2 Monaten dort lagert. Sonst bin ich morgen völlig pleite. Heut war ich nachmittags auch noch beim Dreimasken-Verlag, wo ich mir von Lodygowsky das Manuskript von Benatzkys Operette ›Cherchez la femme‹ geben ließ, aus der ich eventuell eine Posse mit Gesang machen soll. Nachher traf ich Meyrink, den ich fragte, wieviel ich verlangen solle. Er erzählte, ihm sei dieselbe Arbeit angetragen worden, da er aber 5.000 Mk forderte, habe er den Auftrag nicht bekommen. Er riet mir, 3.000 oder 2.000 Mk mit niedrigen Tantiemen zu verlangen.«

Hört sich aktuell an, obwohl es vor hundert Jahren geschrieben wurde, sogar die Honorare stimmen, man braucht nur  Mark mit Euro ersetzen.

Leider haben wir einige Freunde verpasst, die pünktlich zum Schluss der Linken Buchtage eintrafen, aber da saßen wir mit halbleeren Rollkoffern schon in der U-Bahn.

* * *
Noch erfüllt vom Genius loci holten wir zuhause ›Berthold Body Types Vol. I‹, erschienen 1980, aus dem Regal und sahen uns die Fototypen an. Dieses Kompendium zeigt die abendländischen Textschriften und enthält alles, was Rang und Namen hat, in der Geschichte der Schriftkunst.


Korrektur an der Plantin normal vom Schriftengestalter Günter Gerhard Lange, der für die Berthold AG arbeitete.

(BK / JS)

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/schroederkalender/2012/06/20/linke-buchtage-3/

aktuell auf taz.de

kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert