vonSchröder & Kalender 06.10.2012

Schröder & Kalender

Seit 2006 bloggen Schröder und Kalender nach dem Motto: Eine Ansicht, die nicht befremdet, ist falsch.

Mehr über diesen Blog

***
Der Bär flattert in östlicher Richtung.
***
Am Tag der deutschen Einheit wurde Jörg nach einer Operation an der Wade aus der Klinik entlassen. An diesem sonnigen Nachmittag saßen wir auf dem Balkon und freuten uns über eine letzte Rose, die extra für Jörg erblüht war.Rose, tazblog Schröder & Kalender, Foto: Barbara Kalender

Ein Pfauenauge ließ sich auf dem Sonnenhut nieder, und ich wollte gerade eine Flasche Prosecco holen, um die gelungene Operation zu feiern, da wünschte sich Jörg ein Dessert, das wir während unseres Urlaubs in Venedig kennengelernt hatten.

Pfirsiche in Prosecco, tazblog Schröder & Kalender, Foto: Barbara Kalender

Für uns ist dieses Dessert ein kulinarischer Klassiker geworden, es ist simpel zuzubereiten: Reife Pfirsiche kurz in kochendes Wasser geben, danach in eine Schüssel mit kaltem Wasser tauchen und die Haut abziehen. Die Früchte in Scheiben schneiden, mit wenig Puderzucker bestreuen, dann ein paar Spritzer Zitronensaft über die Pfirsiche, und vor dem Servieren eine Stunde im Kühlschrank ziehen lassen. Übermäßiges Zuckern sollte jedoch vermieden werden, da sonst das Aroma der Pfirsiche und des Prosecco übertönt wird.

Pfirsiche in Prosecco 2, tazblog Schröder & Kalender, Foto: Barbara Kalender

* * *

Während eines Venedig-Urlaubs  besuchten wir auf dem Litorale in Cavallino manchmal das Fischrestaurant ›da Achille‹, vermutlich das beste in der Gegend. Hierher kommen sogar die Kenner aus Venedig mit ihren Mahagonibooten rübergebrummt. Sie wissen, warum! Denn bei den Touristenbanditos in der eigenen Stadt isst ja kein Venezianer, wenn er bei Trost ist. Zwar heißt es bei denen »Tutte le specialità di pesce dell’adriatico« – ja, Scheiße mit Reisse! Zum Glück entdeckten wir das ›Achille‹, sonst wären wir geliefert gewesen und hätten vierzehn Tage Pizza essen müssen. Als wir uns beim ersten ›Achille‹-Besuch draußen niederlassen wollten, sagte der Kellner höflich und bestimmt in fließendem Deutsch: »Wir servieren nicht im giardino.« Naiv fragte ich zurück: »Warum das denn?« »Wenn die Dämmerung kommt, fressen die Mücken Sie auf. Im Ristorante haben wir eine Klimaanlage. Wenn Sie mir bitte folgen wollen …«

Der Kellner hatte auf Kreuzfahrschiffen gearbeitet und dann lange in Hamburg. Wir aßen also im ›da Achille‹ die Speisekarte rauf und runter: Tagliolini mit Scampi, gegrillte Fischplatte, Al grün aus der Lagune, Muscheln und andere Schalentiere … Irgendwann fragten wir den Kellner, ob man nicht zwischendurch auch mal Fleisch bekommen könnte. Er wiegte den Kopf und meinte: »Das muss dann ich Ihnen grillen, die Kochbrigade macht nur Fisch.« Also grillte er uns wunderbare Steaks, und wir erfuhren, dass er auch für den Nachtisch zuständig sei. Er bereitete uns diverse Köstlichkeiten zu, darunter Pfirsiche in Prosecco.

Eine Klimaanlage existierte tatsächlich, und die Fenster des schönen Lokals waren auch geschlossen. Das bedeutete aber nicht, dass hier überhaupt keine Mücken mehr schwirrten. Wir hatten – in Kreta klug geworden – immer ›Contra-Mück‹ dabei und konnten deshalb den frischen Fisch aus der Lagune in Ruhe genießen. »Die Wirksamkeit von ›Contra-Mück‹ ist«, laut Etikett, »wissenschaftlich nachgewiesen und hält zuverlässig bis zu fünf Stunden an.« Die Zeitangabe ist stark übertrieben, jedoch wirkt das Zeug tatsächlich mückenabweisend. Der Geruch ist  sehr markant, eine Mischung aus indischem Melissenöl, Menthol-, Citrus- und Eukalyptusölen. Du brauchst nur die Flasche zu öffnen, schon drehen sich im Biergarten noch am hintersten Tisch die Leute um. Mit diesen ätherischen Substanzen kannst du dir Freunde machen, wenn du sie weiterreichst. Jeder reibt sich ein, im Nu bist du ein beliebter Mensch und brauchst keinen Kurs in Gruppendynamik mehr.

Im ›Achille‹ lernten wir so dank ›Contra-Mück‹ ein italoamerikanisches Ehepaar kennen. Er war ein US-Tycoon auf Heimaturlaub, dessen Bauunternehmen einige tausend Mann beschäftigte. Seine Frau, eine nette Dame mit distinguierten Manieren, konnte nicht umhin, zuweilen verstohlen nach den Biestern zu klatschen. Als Barbara das ›Contra-Mück‹ herausgeholt und wir uns damit eingerieben hatten, bot sie ihrer Tischnachbarin das Fläschchen an. Dankbar begann sich die angloitalienische Signora mit dem profanen Reizöl zu betupfen. Den alten Venezianer ließen die Zanzare in Ruhe. Er meinte, weil seine Vorfahren Lagunenfischer waren, liege bei ihm die Mückenresistenz wohl in der Familie. Danach erzählte er uns alles mögliche, vor allem aber erfuhren wir von ihm: »Seit die Ökologen in der Commune di Venezia durchgesetzt haben, daß das Versprühen der Insektizide durch Flugzeuge eingestellt wird, ist es hier wie in alten Zeiten: In der Lagune haben die Mücken wieder die Macht übernommen. Dafür sind  aber die Fische nicht mehr vergiftet und die Vögel zurückgekehrt.«

***

(BK / JS)

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/schroederkalender/2012/10/06/pfirsiche-in-prosecco/

aktuell auf taz.de

kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert