vonSchröder & Kalender 13.10.2012

Schröder & Kalender

Seit 2006 bloggen Schröder und Kalender nach dem Motto: Eine Ansicht, die nicht befremdet, ist falsch.

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Der Bär flattert in nördlicher Richtung.

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Es ist etwas faul im deutschen Staate! Zum Beispiel das Gesundheitswesen, in diesem Falle die gesetzliche Kasse AOK.

Im Mai 2012, als sich bereits die Milliardenüberschüsse im Gesundheitssystem von ca. 15 Milliarden Euro abzeichneten, schrieb die AOK vollmundig an ihre chronisch kranken Mitglieder, die zum Beispiel an koronarer Herzkrankheit oder Diabetes leiden: »Um die Qualität des AOK-Curaplan-Programmes garantieren und gleichzeitig darüber hinausgehende Versorgungsangebote für chronisch Erkrankte anbieten zu können, haben wir uns entschlossen, die Praxisgebührenbefreiung im Rahmen einer Curaplan-Teilnahme ab dem 1. Juli 2012 aufzuheben.« (Auf der AOK-Nordost-Website steht fälschlicherweise immer noch die Praxisgebührenbefreiung bei einer Teilnahme am Curaplan.)

 

Veralbern können wir uns selber! Im Klartext heißt das nämlich: Chronisch Kranke müssen trotz überquellender Kassen zehn Euro pro Quartal berappen.

 

 

 

Ein anderes Beispiel wie aus dem Repertoire eines Karl Valentin: Nach einer Hauttransplantation an der Wade – vier Operationen unter Vollnarkose – verschrieb mir (JS) der Spezialist für plastische Chirurgie unter anderem die Wundspüllösung Lavanid 1 zum täglichen Verbandswechsel. Die Auskunft der Apothekerin: »Die AOK übernimmt dieses Medikament nicht. Sie müssen es leider selbst bezahlen.«

 

Anruf bei der AOK, ein freundlicher Sachbearbeiter meinte: »Ja, es ist absurd, aber die AOK kann dieses Mittel nicht übernehmen. Bleiben Sie bitte am Apparat, ich setze mich mit unserer Pharma-Abteilung in Verbindung. Möglicherweise kann eine Einzelfallentscheidung getroffen werden.« Es dauerte einige Minuten, dann erhielt ich die Auskunft: »Leider steht Lavanid nicht in der Liste für Einzelfallentscheidungen. Die einzige Möglichkeit ist eine schriftliche Eingabe an die AOK Nordost in Potsdam. Bitte verwenden Sie dieses Aktenzeichen: VM/5/1/1 …« Diese »Eingabe« machte ich natürlich nicht, sondern bezahlte das Medikament selbst, Kostenpunkt: 17,75 Euro.

 

22.000 Euro Monatsgehalt von Jürgen Graalmann, AOK

 

So macht man Milliarden auf dem Rücken der Versicherten! Der AOK Vorstandschef Jürgen Graalmann (Amfortas läßt grüßen!) kassiert ein Monatsgehalt von 22.000 Euro. Das sind nur 1.000 Euro weniger als Bundeskanzlerin Angela Merkel nebst allen Zulagen erhält.

 

Bleibt uns nur noch den Stoßseufzer des engagierten Sozialjuristen Dr. Franz Kafka zu zitieren, der sich als Obersekretär der Arbeiter-Unfall-Versicherungsanstalt (diese Position war in etwa mit der eines deutschen Oberregierungsrates gleichzusetzen) scharf gegen die »dolose Hinterziehung der Versicherungsbeiträge« wandte. Über die Mitgliedern der Versicherung sagte er: »Wie bescheiden diese Menschen sind. Sie kommen uns zu bitten. Statt die Anstalt zu stürmen und alles kurz und klein zu schlagen, kommen sie zu bitten.«

 

(FK / BK / JS)

 

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https://blogs.taz.de/schroederkalender/2012/10/13/nur-ein-paar-milliarden/

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kommentare

  • zu diesem thema habe ich auch eine schöne geschichte.
    die meisten krankenkassen zahlen den “grossen blutcheck” nicht mehr. wenn man im standard-check aber z.b. schlechte schildrüsenwerte hat müsste man eigentlich noch weitere schildrüsenwerte abchecken – das wäre ein seriöses vorgehen um eine fehldiagnose zu verhindern. dafür ist aber von kassenseite kein geld da und deshalb werden auf basis von teilweise nur einem schildrüsenwert (bei dem lustigerweise vor einiger zeit die schwelle für einen krankheitswert abgesenkt wurde) bereits schildrüsenpräparate verordnet die man lebenslang(!) nehmen soll.
    wer hier gut verdient liegt auf der hand.
    das korrupte gesundheitswesen müsste endlich mal mit eisernem besen ausgefegt werden. aber solange die fdp sogar zum gärtner gemacht wird kann man das in den wind schiessen .

  • Die Rücknahme der Befreiung von den Praxisgebühren hat nichts mit Karl Valentin oder Veralberung zu tun. Das ist ganz normale Geschäftspolitik:

    Chronisch Kranke zahlen meist Beiträge, die unter den Ausgaben der Kassen für die laufende Versorgung liegen. “Negative Beitragsdecker” im Jargon der AOK.

    Wenn diese “Kunden” wegen der aufgehobenen Befreiung dann verärgert die Kasse wechseln, wird Ihnen natürlich keine Träne nachgeweint. Im Gegenteil. Auch nach dem neuen GKV-Finanzierungsgesetz, Stichwort “Zusatzbeiträge”.

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