vonSchröder & Kalender 25.12.2014

Schröder & Kalender

Seit 2006 bloggen Schröder und Kalender nach dem Motto: Eine Ansicht, die nicht befremdet, ist falsch.

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Der Bär flattert immer noch nicht.
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Hermann Fürst von Pückler-Muskau: ›Briefe eines Verstorbenen‹
Vollständige Ausgabe. Neu herausgegeben von Heinz Ohff,
Kupfergraben Verlagsgesellschaft, Berlin 1986

Fürst Pückler beginnt seinen fünfundvierzigsten Brief am 20. Dezember 1828 in Bristol:

Gute Julie!
Ich hoffe, Du folgst mir auf der Karte, was Dir meine Briefe besser versinnlichen wird, wenn Du auch dort keine der schönen Aussichten mitgenießen kannst, welche ich sah, die ich Dir aber alle in meinen Lebens- und Erinnerungs-Bildern in getreuer Kopie mitbringe …

Er beendet diesen Brief am 26sten:
Die üble Angewohnheit, im Bett zu lesen, hat mir diese Nacht ein lächerliches Unglück zugezogen. Mein Haar nämlich fing unbemerkt Feuer und ich mußte den Kopf in die Bettdecken wickeln, um es zu löschen. Schrecklich ist der angerichtete Schaden, denn die ganze eine Kopfhaarhälfte ist vernichtet, so daß ich mich über und über fast kahl habe scheren lassen müssen. Glücklicherweise besteht meine Stärke nicht in den Haaren. (1)

Ein Brief von Dir tröstete mich beim Erwachen. Deine Fabel von der Nachtigall ist herrlich. Hätte L. (2) das bedacht, und sich im zwanzigsten Jahr gesagt: Sei tot für die Welt bis zu Deinem fünfunddreißigsten, wie glänzend und glücklich könnte er jetzt (NB nach dem Maßstab der Welt) darin auftreten! Auch ich habe im Laufe dieser Zeit und noch jetzt oft die Welt und andere angeklagt, aber bei Licht besehen*, ist dies doch ebenso töricht wie ungerecht. Die Welt ist und bleibt einmal die Welt und ihr alles Üble, das uns daraus entgegenkommt, zurechnen zu wollen, ist dem Kinde zu vergleichen, welches das Feuer bestrafen will, weil es sich die Finger daran verbrannt hat. L. soll also nicht bereuen, denn hätte er fünfzehn Jahre als Murmeltier vegetiert, so hätte er diese Zeit eben nicht gelebt, und folglich nicht erkannt. Es bleibt immer dabei »que tout est pour le mieux dans le meilleur des mondes.« (3)

Indem ich Dir herzlich wünsche, dies gleichfalls immer einzusehen, empfehle ich mich Dir für diesmal zärtlichst, und bin wie immer
Dein treuer L.

* Es scheint, die Feuersbrunst direkt am Haupt hat mich mehr als gewöhnlich erleuchtet.

* * *

(1) Anspielung auf das 16. Kapitel im ›Buch der Richter‹. Simsons Stärke lag in der Länge seines Haupthaars, das ihm Delila deshalb abschnitt.

(2) Das merkwürdige Pseudonym Pücklers hängt mit den politischen Umständen und der Zensur zusammen, außerdem war er der Schwiegersohn, des nach dem König mächtigsten Mannes in Preußen, des Staatskanzlers Hardenberg. In seinem Buch beharrt Pückler deshalb auch auf der Fiktion, der Autor sei verstorben.

(3) Der Wahlspruch des Doktor Panglos, eine der Hauptfiguren in Voltaires ›Candide‹, ist: »Alles ist aufs beste eingerichtet in der besten aller Welten.« Voltaire parodierte damit auch die Philosophie von Leibniz.
***

Liebe Freundinnen und Freunde,

wenn es denn zutrifft, dass nach den
Berechnungen zur kosmischen
Inflation unsere nächsten Doppelgänger
im Paralleluniversum
10 hoch 29 Meter von uns entfernt leben,
so grüßen wir natürlich auch diese.
Lieber aber halten wir uns,
wie Pückler, an die beste aller uns
bekannten Welten und
wünschen Ihnen alles Gute, Glück
und Erfolg im Jahr 2015.

In diesem Sinne herzlichst
Barbara Kalender und Jörg Schröder

***
weihnachtsberg, Foto: Barbara Kalender
Foto: Barbara Kalender

(BK / JS)

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https://blogs.taz.de/schroederkalender/2014/12/25/mehr-als-erleuchtet/

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kommentare

  • Haarbrand ist nicht wirklich erleuchtend, sondern eher strohfeurig. Zünd, flamm und weg, dann brandelnder horniger Mief und Ascheflöhe an den verbliebenen Haarspitzen. Ich hatte einmal, noch vollbärtig und langhaarig, eine Verpuffung am Ofentürl erlitten. Derlei heiße Begegnungen machen vorsichtig …
    Danke für Eure lieben Grüße
    Servus Matthias

  • Just an Weihnacht auf arte mal wieder „Die Marx-Brothers im Krieg – (Duck Soup)“ gesehen. Da brannte zwar nicht das Haupthaar, aber wie Chico und Harpo den Limonadenverkäufer mit dem „Hütchenspiel“ in den Wahnsinn treiben und abschließend dessen Hut in die Flammen übergeben, das ist (neben der berühmten Spiegel-Szene) immer wieder zum Tränenlachen.

    https://www.youtube.com/watch?v=q9OUIk4Oaq4
    https://www.youtube.com/watch?v=tDNLFZmo5sg
    https://www.youtube.com/watch?v=DWrA3VPwJSA

    Herzliche Grüße mit Dank für die immer wieder interessanten Beiträge und mit den besten Wünschen für 2015: „Just Remember that the last laugh is on you.” and “Always look on the bright sight of life..”

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