vonSchröder & Kalender 08.06.2015

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Der Bär flattert in östlicher Richtung.

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Rotkäppchen von Otto Ubbelohde. tazblog schröder & kalender

Rotkäppchen von Otto Ubbelohde.

 

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Zutaten

250 g Butter, 250 g Zucker, 1 Päckchen Vanillzucker, 4 Eier, 1 EL Kakao, 1 EL Zimt, 125 g Blockschockolade geraspelt, 1/8 Liter Rotwein, 250 g Mehl, 1 Päckchen Backpulver, Puderzucker, Paniermehl

Den Backofen auf 200 ° C vorheizen, die Backform mit Butter einfetten und mit Paniermehl ausstreuen. Alle Zutaten in einer Schüssel verrühren, in die Form füllen und in den Backofen stellen. Bei 175 ° C eine Stunde backen, nach dem Abkühlen mit Puderzucker bestreuen. Der Kuchen schmeckt auch zu Rotwein.

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Dieser Rotkäppchen-Kuchen wird nach einem Familienrezept aus dem Vogelsberg gebacken. Die Gebrüder Grimm sammelten auch dort bei Gewährsleuten Volksmärchen. Tatsächlich handelt es sich bei ›Chapeau rouge‹ um ein Volksmärchen, das Charles Perrault zu einem Kunstmärchen umformte. Die Hugenotten brachten das Märchen nach Hessen mit, es gab im Vogelsberg noch Anfang 1970 alte Frauen, die ›Rotkäppchen‹ und der ›Wolf und die sieben Geißlein‹ in einem französischen Dialekt erzählen konnten.

Vergleicht man die französische Rotkäppchen-Fassung des 17. Jahrhunderts von Charles Perrault mit der deutschsprachigen Grimmschen Version des 19. Jahrhunderts, so ergeben sich einschneidende Veränderung des Inhalts. Perrault benutzte eine Überlieferung von ›Chapeau rouge‹, die er elegant für ein aristokratisches Publikum umformulierte. Mit seiner Darstellung entspricht Perrault dem Geschmack der zeitgenössischen Oberschicht, die an erotischen Anspielungen Gefallen fand.

In ›Märchen auf Bilderbogen‹ von Angela Koch und Claudia Vitze erfuhren wir mehr: »Der Inhalt vermittelt männliche und weibliche Verhaltensnormen: Perraults Schlussmoral ist in ironischer Form eine Warnung an leichtsinnige Mädchen, sich vor schmeichelnden Männern in acht zu nehmen, denn die Folgen einer Verführung sind so schrecklich wie das Verschlingen durch einen Wolf. […] Ungefähr zwei Drittel der Bildsequenzen sind der ›Bettszene‹ gewidmet, in der sich Rotkäppchen langsam und aufreizend entkleidet, gehorsam der Aufforderung des Wolfes folgend, sich zu ihm ins Bett zu legen. Wie die literarischeVorlage schließt das Märchen mit der unabänderlichen Verschlingung durch den Wolf.«

Wenn Chapeau rouge schließlich durch den Wolf verschlungen wird, so ist dies eine Metapher für das Unglück, das leichtsinnigen Mädchen widerfährt. Anders als im französischen Kunstmärchen beenden die Brüder Grimm ihre Variante positiv. Großmutter und Rotkäppchen werden von einem Jäger aus dem Bauch des Wolfes befreit. Das Märchen ist von sexuellen Anspielungen wieder gesäubert. Was also in der Perraultschen Fassung ein freizügiges Mädchen war, wurde bei den Brüdern Grimm wieder zum züchtigen Rotkäppchen.

(Zitate aus: Angela Koch und Claudia Vietze: ›Märchen auf Bilderbogen‹, Hessen Märchenland der Brüder Grimm, Erich Röth-Verlag Kassel 1984)

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Rotkäppchen von Otto Ubbelohde. tazblog schröder & kalender

Rotkäppchen von Otto Ubbelohde. Wie man auf dieser Zeichnung erkennen kann, trinken die Großmutter und die Enkelin zum Kuchen Kaffee, aber für den Jäger steht der Wein kalt.

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(BK / JS)

 

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