vonDetlef Berentzen 05.10.2012

Dr. Feelgood

Detlef Berentzen, Ex-tazler, Autor für Funk und Print, verbreitete hier „News“ der anderen Art. Gute zum Beispiel. Machte die Welt hör-und lesbar.

Mehr über diesen Blog

Es war Walter Benjamin, dem es in seiner „Einbahnstraße“ nicht anders ging als mir an einem dieser sonnendurchtränkten Herbstmorgen: „Als ein geschätzter, kultivierter und eleganter Freund mir sein neues Buch übersandte, überraschte ich mich dabei, wie ich, im Begriff es zu öffnen, meine Krawatte zurecht rückte.“ Genau so war es, als Uwe Zellmer mir seinen neuen Roman „ Himmelsberg, Engelswies“ schickte. Nur daß ich keine Krawatte trage. Trotzdem rückte ich mich zurecht, erinnerte mich, wie wir in den letzten Monaten oft genug über sein Manuskript sprachen, oben in Melchingen auf der schwäbischen Alb. Unweit des leuchtenden Kornbühl.

Dort ist er zu Hause, residiert „Unter den Linden“ (!) im obersten Stockwerk des Theaters Lindenhof, kann allen auf den Kopf spucken, tut es aber nicht, ist schließlich sein Theater, nicht nur, aber immerhin, er gehört zum radikalen Anfang der jungen Wilden, die 1981 von Tübingen aufstiegen, kommunardengleich, sturmverweht, sanfte Maoisten, den Hölderlin im Gepäck und alles sollte werden, in der Scheune des alten Lindenhofs ein Theater und ist heute noch. Und immer unterwegs, im Offenen, im Sommer zwischen Ruinen, auf den Straßen, dem Neckar – O Stimme der Stadt, der Mutter!   Nie ohne Schiller, Brecht, Shakespeare und Felix Huby, immer wieder große und kleine Kunst, alles vorbereitet in lang durchzechten Nächten, gern auch in der Provence. Zellmers Theater ist mit ihm unterwegs, hat ihn nie verlassen, eine Liaison fürs Leben, genauso wie die Freundschaft zum Lindenhof-Intendanten Bernhard Hurm, der ewig bleiben wird, weil seine Liebe zum Theater die Dichter stifteten: Der Lust bleibet geweihet der Tag!

Kurzum,  der schwer barocke Zellmer war schon immer voller Trollinger und Geschichten, die ihm das Theater bescherte, sein Theater, das ihn kreuz und quer führte und immer wieder zurück in den Traum, der ihm Heimat ist. Genau wie der Melchinger Himmelberg, auf dem sich drei große Windmühlen drehen. Selbst den haben sie bespielt. Mitten im Winter. Den Sturm und auch Schubert im Gepäck. Alles Geschichten, die erzählt sein wollten, um sie nicht zu verlieren. Geschichten, die dort ihren Halt finden, wo sich Kenner treffen. Samt ihrem Württemberger.  (Buchpremiere am kommenden Sonntag, 7. Oktober 2012, 11.00 Uhr  im Theater Lindenhof, Melchingen)

more info

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/spurensuche/2012/10/05/albnewz-zellmer-hat-fertig/

aktuell auf taz.de

kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert