vonDetlef Berentzen 11.11.2014

Dr. Feelgood

Detlef Berentzen, Ex-tazler, Autor für Funk und Print, verbreitete hier „News“ der anderen Art. Gute zum Beispiel. Machte die Welt hör-und lesbar.

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Der schwarze Vorhang hebt sich: die Jagd auf die Verhungerten und den letzten Proletarier ist eröffnet. Wer wird ihm seinen Wagen, seinen Mixer, seine Bar und seine Bibliothek erfolgreich verkaufen? Das Gesicht des Glücks schimmert nicht mehr als Filigran durch die Werke der Kunst und Literatur, seit es sich als Blickfang vervielfacht hat und jedem einzelnen das universelle Bild bietet, in dem er sich wiedererkennen soll: Glücklich, wer Lucky Strike raucht! (Raoul Vaneigem, “Handbuch der Lebenskunst für die jungen Generationen”)

Die fehlenden weißen Gedenkkreuze gaben der Bundespolizei Anlass, die Busse der Gruppe „Zentrum für Politische Schönheit“ auf mögliche Werkzeuge „mit denen Straftaten begangen werden könnten“ zu durchsuchen und so die Eröffnung des Festivals und folglich die Abreise der Busse zu verzögern. „Sie befinden sich mitten in der Inszenierung.“, so Philipp Ruch, künstlerischer Leiter der Gruppe „Zentrum für Politische Schönheit“ und einer der Regisseure der Inszenierung. (Tagesspiegel)

Die Asyl-Lobbyisten, die in der vergangenen Woche mehrere Kreuze zur Erinnerung an Opfer der Berliner Mauer gestohlen hatten, wurden offenbar mit Steuergeldern unterstützt. Insgesamt habe das „Zentrum für Politische Schönheit“ 10.000 Euro aus dem Hauptstadtkulturfonds erhalten, berichtet die Berliner Morgenpost. (Junge Freiheit)

Das Maxim-Gorki-Theater unterstützte das Zentrum für politische Schönheit noch auf andere Weise. Es lud die Künstlergruppe zum Festival Voicing Resistance ein. Ihre Aktion wurde mit 10.000 Euro aus dem Hauptstadtkulturfonds bezuschusst – und rief den Staatsschutz auf den Plan. Denn bei dem Projekt “Erster Europäischer Mauerfall” fuhren Busse mit Freiwilligen zu EU-Grenzanlagen, um sie niederzureißen. (Berliner Morgenpost)

Rückendeckung erhält Philipp Ruch von der Intendantin des Berliner Maxim Gorki Theaters, Shermin Langhoff. Sie sagte der taz: „Seit dem Tod von Christoph Schlingensief vermisse ich immer wieder eine starke, provozierende Stimme in der Kunstlandschaft, die politisch interveniert.“ Deshalb sei sie froh, dass es das Zentrum für Politische Schönheit gebe. „Die Aktion erzeugt Aufmerksamkeit für die katastrophale Situation der von Flucht betroffenen Menschen an den EU-Außengrenzen. Sie nimmt die Vergangenheit als Auftrag ernst.“ (taz)

Vertreter der AfD Berlin haben am Jahrestag des Mauerfalls an der Gedenkstätte für die Opfer des DDR-Grenzregimes niedergelegt, da, wo die Kreuze entwendet wurden. Die Abgeordnete des Europäischen Parlaments Beatrix von Storch sagte bei der Veranstaltung: »In diesem Land läuft einiges wirklich verkehrt.« (Freie Welt)

Darf ein Theater Komplize sein, wenn es um die Entehrung von Mauertoten geht? Kann sich eine Intendantin hinter dem Kunstbegriff verstecken, wenn sich am Opfergedenken versündigt wird? Nein. Die grundgesetzlich garantierte Freiheit der Kunst darf nicht gegen die unantastbare Würde des Menschen ausgespielt werden. Dass ein Berliner Theater die Würde der Toten und die Geschichte unserer Stadt so mit Füßen tritt, hätte ich vor wenigen Tagen noch für undenkbar gehalten. Besonders bitter ist, dass diese Komplizenschaft offenbar mit Steuergeldern gefördert worden ist. Die Rolle des Maxim-Gorki-Theaters muss dringend aufgeklärt werden. (Frank Henkel, CDU)

Dreihundert Meter vor dem Zaun war Schluss. Grenzpolizisten in Kampfmontur versperrten den Aktionskünstlern vom Zentrum für Politische Schönheit und ihren rund hundert Begleitern den Weg. Man konnte sich an dieser Stelle fragen, ob man ernsthaft geglaubt hatte, dass sie ihr Ziel hätten erreichen können: Zu dem drei Meter hohen Zaun vorzudringen, der auf einer Länge von 30 Kilometern Bulgarien von der Türkei trennt, um Flüchtlinge davon abzuhalten, auf dem Landweg die Europäische Union zu betreten. Mit Bolzenschneidern wollte die Gruppe den Zaun durchtrennen. Die Aktion sollte ihr Beitrag zum Gedenken an den Mauerfall vor 25 Jahren sein. (Berliner Zeitung)

 

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Die Anfang November gestohlenen Gedenkkreuze der Mauertoten am Reichstagsufer sind wieder da. Polizisten stellten am Sonntagabend gegen 22.30 Uhr vier Personen fest, die mit einem Palettenwagen und den 14 entwendeten Kreuzen zu der Gedenkstätte zurückkehrten. Die drei 27, 32 und 41 Jahre alten Männer und eine 31-jährige Frau schraubten die Kreuze unter Aufsicht der Polizei wieder an ihrem Bestimmungsort an. (Die Welt)

Der künstlerische Leiter des Zentrums für Politische Schönheit (ZPS) wird heute noch Strafantrag gegen Frank Henkel wegen “übler Nachrede und aller anderen infrage kommenden Delikte“ bei der Polizei in Potsdam stellen. Wider besseren Wissens bezeichnete Frank Henkel die Aktion in dem am 8.11.2014 veröffentlichten Gastkommentar als Diebstahl und „verabscheuungswürdige Tat“. Dazu Rechtsanwalt Ulrich Kerner: „Wer von Anfang an die Rückgabe beabsichtigt, macht sich nicht wegen Diebstahl strafbar. Das lernen Jurastudenten bereits im ersten Semester.“ Außerdem schrieb Henkel in Hinsicht auf die Rolle des Maxim Gorki Theaters und seiner Intendantin von einer “Komplizenschaft” (Mittäterschaft) und verwendete Wörter wie „gestohlen“, um damit die künstlerische Arbeit des Zentrums für Politische Schönheit mutwillig in die Nähe von Straftaten zu rücken. „Dass der oberste Dienstherr der Berliner Polizei sich derart wortgewaltig in laufende Ermittlungen einschaltet, ist eine rufschädigende Vorverurteilung“, erklärt Philipp Ruch, Regisseur des Theaterprojekts am Gorki-Theater, “gegen die wir uns mit allen Mitteln zur Wehr setzen werden.“ Deshalb wurde Frank Henkel um 17 Uhr auch eine Unterlassungserklärung zugestellt. (Zentrum für Politische Schönheit,11. November)

Sofort fällt der Vorhang. Er bleibt jedoch nicht geschlossen, sondern geht, ungeachtet der Reaktion des Publikums, sofort wieder auf. Durch Lautsprecher wird dem Publikum tosender Beifall geklatscht und wild gepfiffen. Das ohrenbetäubende Heulen und Johlen dauert an, bis das Publikum geht. Dann erst fällt endgültig der Vorhang. (Peter Handke, “Publikumsbeschimpfung”)

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https://blogs.taz.de/spurensuche/2014/11/11/entwendung-aesthetischer-fertigteile-3/

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