vonDetlef Berentzen 05.01.2015

Dr. Feelgood

Detlef Berentzen, Ex-tazler, Autor für Funk und Print, verbreitete hier „News“ der anderen Art. Gute zum Beispiel. Machte die Welt hör-und lesbar.

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Ich habe lang gebraucht, um zu verstehen, was das ist: “DEUTSCH”. Als ich begann, es herauszufinden, da hatten wir gerade Trümmer vorm Balkon, es war Nachkrieg und Deutschsein tat ziemlich weh. „Dir werden wir noch Zucht und Ordnung beibringen“, gröhlten die Sadisten, die sich in meiner Gaskesselheimat Lehrer nannten, und zeigten mir im deutschen AfterWar, was eine deutsche Harke ist, verprügelten mich mit Rohrstöcken, Linealen, Schlüsselbunden und nackten Fäusten. Wenn ich dann heulte, lärmten sie: „Ein deutscher Junge weint nicht!“ und schlugen mich zur Feier des Tages extrablau, was durchaus eine Auszeichnung war, denn sie meinten, all die Prügel würde mich zäh wie Leder machen. Zucht und Ordnung waren also deutsch. Nur ich war es nicht. War nicht zäh, voller Angst, immer ungehorsam und hörte nicht auf zu heulen. Versteckte mich in alten Luftschutzkellern oder auf dem Schulklo, wenn die Deutschen nach mir riefen. Ich wußte schon damals, daß es mit meiner Einbürgerung nicht so recht klappen würde.

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kommentare

  • Alright, hat sich geklärt. Krass, dass Sie so eine Kindheit wie beschrieben erleben mussten. Und ich dachte, meine Kindheit mit zerrütteter Familie, Kinderheim und einigem mehr war erschreckend. Ist wohl wirklich was dran an dem Spruch “Schlimmer geht immer” – leider.

  • Forever young! Wie auch immer. Der Nachkrieg, der “afterwar”, nicht als manifester Zeitabschnitt, sondern als Zustand, der durch sein “Nachleben” die Existenz langfristig bestimmte. Da hörte nichts auf, war nichts vorbei.

  • 2014 minus round about 73 Jahre (Zeitspanne, um als Kleinkind im Nachkriegsdeutschland aufgewachsen sein zu können) = 1941
    Ein solch hohes Alter hatte ich Ihnen bei meiner Lektüre des Blogs nie zugetraut. Das Blog-Foto oben rechts ist dann also älteren Aufnahmedatums oder Sie sind erstaunlich jung geblieben.

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