vonDetlef Berentzen 28.02.2016

Dr. Feelgood

Detlef Berentzen, Ex-tazler, Autor für Funk und Print, verbreitete hier „News“ der anderen Art. Gute zum Beispiel. Machte die Welt hör-und lesbar.

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Meine Begegnung mit der “Anti-Psychatrie” an der Berliner FU hat die Weichen gestellt. Grundlage für diese kritische Auseinandersetzung mit den herrschenden psychatrischen Systemen und Theorien war allerdings meine eigene Analyse – ich hatte im Rahmen meiner psychoanalytischen Ausbildung in der Zeit von 1965 bis 1970 eine Lehranalyse gemacht. Und die sehe ich heute als vorbereitendes Aufbrechen des autoritären Panzers, der mich bis dahin umgeben hatte. Wenn ich diese Psychoanalyse nicht konsequent gemacht hätte, dann hätte ich als Assistent die 68er-Studenten für Spinner gehalten, hätte meinen konservativen Stil gepflegt und auch eine glatte akademische Laufbahn gemacht. Doch dieses Aufbrechen meiner inneren Abwehrstrukturen, dieser Protest gegen meinen Vater und all die herrschenden autoritären Mechanismen, die haben mich auf den Weg gebracht. (Horst Petri im Gespräch mit db)

 
So ein Leben hat verdammt viele Anfänge. Und manchmal muss man einen bestimmten Anfang herausgreifen. Einen Wendepunkt vielleicht, einen Moment, der etwas in Bewegung setzt, was dann nicht mehr zu stoppen ist. So ein Moment ist oft an einen Ort gebunden, im Falle von Horst Petri war’s Berlin. Das dreckige, widerborstige, aufständische, wunderbare und widerliche Berlin. Damals noch geteilt. Und er, nach all dem Tübingen und Freiburg als wissenschaftlicher Assistent im Westteil der Stadt. Dort verteilte die Kommune ihre Flugblätter: “Tauschen Polizeihelm gegen gegrillte Pferdelende! Abzuholen vor dem Café Kranzler!” Ende der 1960er-Jahre war das. Keiner wollte zweimal mit der selben pennen oder zum Establishment gehören. Doch Horst Petri (Jg. 1936) war natürlich schon seit 1965 verheiratet, immerhin war er kurz zuvor in einer französischen Jugendherberge seiner ersten großen Liebe begegnet – ohne jeden Twitter, ohne Flirtportal, einfach so.

Und war schon Arzt. Und dann irgendwann doch wieder nach Berlin, sich selbst auf die Couch legen, eine Hauptrolle im “Drama der Vaterentbehrung” spielen und die verdammt “Lieblosen Zeiten” bekämpfen. Also doch Psychoanalyse und Revolution. Er hat’s mir erzählt. Ganz früh schon, davon, wie er damals in den Hörsälen die bärtigen “Che-Guevara-Typen” in ihren Overalls und Kampfausrüstungen traf, alle wild, richtig wild, hochintelligent und hochgebildet. Soziale Psychiater! Und alle Anti!

Eine folgenreiche Begegnung für jemanden, der – neben Lehrtätigkeit und Lehranalyse – inzwischen Vater geworden war. Das Antiautoritäre wärmte ihn. Horst Petri wurde qua Rebellion und Analyse eigensinnig. So richtig eigensinnig. Kein professoraler Pfad der Tugend mehr, sondern einfach wie der alte Hesse, Hermann eben: “Da ist eine Eigenschaft, die lobe ich mir sehr: den Eigensinn!”, hatte Hesse geschrieben, der kam zwar aus Calw und nicht wie Horst aus Köln, aber mit dem Eigensinn hat der alte Demian es schon getrieben, auch mit dem Nobelpreis, aber den wird Horst erst später bekommen, vielleicht demnächst schon, verdient hat er ihn,…aber so weit sind wir noch nicht: Wir schreiben also das Jahr 1968 und da ist dieser nicht mehr ganz so junge Vater. Und überall Rebellion. Und ein neuer “Erziehungsauftrag”: Keine Prügel, keine Dunkelhaft, kein Strammstehen mehr, wie bei den Autoritären üblich! Überall nur Lob des UNgehorsams und Aufruhr gegen “alte Spießer” und “liberale Scheißer”. Und nächtliche Debatten mit den Antis, sich endlich spüren, den zwanghaften Verhältnissen die Stirn bieten und all die autoritären Panzer in Ruhe vor die Wand fahren. So etwas konnte man damals noch lernen!

Wie gesagt, diese Zeit war ein Anfang. Einer von vielen, aber einer der bleibt und den autoritäre Neo-Spießer heute immer noch gerne in die Tonne treten würden – von wegen! Damals wurde aus Horst der Petri. Oder umgekehrt. Auf alle Fälle wurde er der wunderbare und erfahrene Psychiater, Analytiker, Buchautor, Freund und Radfahrer, der er heute ist. Also wollen wir diesen Anfang loben. Und erst recht den Horst, der heute 80 Jahre alt wird. Ich werde ihm die erwähnte “gegrillte Pferdelende” schenken. Das mit dem “Polizeihelm” lassen wir erstmal. Horst, wir brauchen dich! Bleib! Und Gratulor!!!! (db)

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