vonDetlef Berentzen 25.04.2016

Dr. Feelgood

Detlef Berentzen, Ex-tazler, Autor für Funk und Print, verbreitete hier „News“ der anderen Art. Gute zum Beispiel. Machte die Welt hör-und lesbar.

Mehr über diesen Blog

Mein lieber Detlef,

das österreichische Wahlvolk hat sich deklariert: „Rechts um!“ Das ist wenig überraschend, obschon das verschiedene Kommentatoren jetzt behaupten. Denn neu ist das problematische Verhältnis Österreichs zu seinem faschistischen und deutschnationalen Erbe nicht. Du erinnerst dich noch gut an die Waldheim-Debatte in den 1980er Jahren. Danach wurde lange Zeit unter der Decke gehalten, was immer schon vorhanden, aber wenig präsentabel war.

Seit dem 24. April 2016 haben wir nun eine amtliche Bestätigung für die Mehrheitsmeinung. Rund 54% der Österreicherinnen und Österreicher haben Norbert Hofer und Irmgard Griss gewählt. Norbert Hofers stramm rechte Gesinnung ist allseits bekannt. Von der Abschaffung(!) des NS-Verbotsgesetzes bis zum Streichen der Arbeitslosenversicherung für Zuwanderer. Aber diese nette Frau Griss?
Nun, die pensionierte Grazer Richterin deckt den anderen Teil des Spektrums ab. Sie repräsentiert das entschuldigende Verständnis für die Mitläufer und kleinen Profiteure des NS-Regimes und deren Nachkommen. Als ehemalige Wählerin des Pflichterfüllers Kurt Waldheim erinnert sich Irmgard Griss genau: „Die Leute waren in einem Zwiespalt“.  Und hat auch gleich ein Beispiel für die guten Seiten der NS-Herrschaft parat: „Unser Nachbar hat sich unter den Nazis die erste Dreschmaschine gekauft, das war ein riesiger Fortschritt.“

Ob die Mehrheit in der Alpenrepublik ahnt, welch riesige Fortschritte mit einem rechten Pistolero (Hofer) in der Hofburg und einem möglichen Bundeskanzler Strache auf sie zukommen, bleibt dahingestellt. Wie sagte Norbert Hofer doch im Wahlkampf: “Sie werden sich noch wundern, was alles möglich ist.“ In Ungarn, Polen und der Türkei können wir uns das jetzt schon anschauen.

Ich harre aus.
M

 

Georg Kreisler

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/spurensuche/2016/04/25/wiener-korrespondenzen-17/

aktuell auf taz.de

kommentare

  • Die Anrufung des (Wahl-)Volkes: Der Name wurde bekanntlich schon immer mit plebizistischen Utopien verbunden – Volk ist eine gefährliche Vokabel.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert