vonDetlef Berentzen 12.11.2018

Dr. Feelgood

Detlef Berentzen, Ex-tazler, Autor für Funk und Print, verbreitete hier „News“ der anderen Art. Gute zum Beispiel. Machte die Welt hör-und lesbar.

Mehr über diesen Blog

„Ich bin neugierig auf Menschen, auch neugierig auf Dinge, neugierig auf Bücher. Diese Neugier setzt bei mir Energien frei, Energien für die Suche nach Menschen, mit denen ich umgehen kann, von denen ich lernen kann, die ich lieben kann.“ (Peter Härtling)

 

Am 13. November 1933 geboren, in Chemnitz, die ersten Jahre des sogen. Dritten Reichs mit Eltern, Großeltern und Tretroller in Hartmannsdorf, dann Brünn, Olmütz, die mährische Verwandtschaft, das Jungvolk, die Heilsgesänge, die Flucht, Zwettl, Angst, Kälte, Tod, Trauer tief, immer auf der Suche nach Antworten und jede Menge Wut im Bauch – ein verführtes, ein gebranntes, ein verletztes Kind der Nazizeit, unterwegs in einem Güterwaggon. Mit all den anderen. Da ist der Vater bereits in einem Kriegsgefangenenlager gestorben, die Mutter wird sich umbringen. Bald schon.

Nach Kriegsende die Ankunft samt Kinderschatten in Nürtingen, eine schwierige Heimat für Fremde, dennoch die ersten außergewöhnlichen Helfer, Freunde, Mentoren (Ruoff, Lörcher, Rall) und der erste Gedichtband des schlaksigen Flüchtlingskinds im Jahre 1953 (“Poeme & Songs), u.a. mit der Zeile darin: “Vielleicht ein Narr wie ich”. Der Titel für unsere spätere Biographie.

 

 

Peter Härtling schrieb weiter, immer weiter, war in Zeilen zuhaus. Köln, Berlin, Frankfurt, Walldorf, er trug in Romanen seine Liebe nach, machte Schubert, Hölderlin und Verdi schreibend zu Gefährten, erzählte Kindern in seinen Büchern vom “Hirbel”, der “Oma” und von “Djadi”, dem Flüchtlingsjungen, schrieb für das Theater seine “Melchinger Winterreise”, nicht ohne den “Angelus Novus” (s. Foto), war mit so vielen, die am Rande lebten, unterwegs, ein “Wanderer” bis an die Grenzen, den dieses Land, diese Welt oft fremd machten. “Zunehmend fremd”, wie er noch vor Jahren zornig betonte.

Da waren seine vier Kinder schon längst groß, es gab jede Menge Enkel, auch Urenkel und die Liebe seiner Frau Mechthild wärmte ihn täglich. Er fand Atem in den Worten – bis zuletzt. Als er sich schon kaum noch rühren konnte, war er “Der Gedankenspieler” und schrieb ihn auf. Das letzte Buch. Peter Härtling starb im Sommer 2017. Auf seinem Grab leuchteten die Sonnenblumen. Er fehlt.

Anlässlich von Härtlings 85. Geburtstag widmet ihm das Darmstädter Literaturhaus morgen einen ganzen Abend voller Erinnerungen und Gespräche. Eine gute Möglichkeit der Wiederbegegnung.

 

more info

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/spurensuche/2018/11/12/in-zeilen-zuhaus/

aktuell auf taz.de

kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert