Prozesstag 19. Dezember 2016, Landgericht Bochum
von Helmut Lorscheid
8,7 Mio. Euro sind eine Menge Geld. Soviel soll das Finanzamt Essen Süd bekommen, spätestens Anfang Januar. Das hat Werner Mauss angekündigt und er oder Dieter Koch oder Klaus Möllner haben entsprechendes in die Wege geleitet und dem Gericht schon mal per Email Kopien der entsprechenden Bankanweisungen zukommen lassen.
Zusammen mit den bereits im Jahr 2012 zu Beginn des Ermittlungsverfahrens an die NRW-Steuerverwaltung angewiesen vier Millionen wären das insgesamt fast dreizehn Millionen Euro. Also fast der Betrag, den die Anklage als hinterzogene Steuersumme benannt hat –rund 15 Mio. Euro.
Der Angeklagte verband die Ankündigung des Geldregens mit dem Hinweis, dass mit dieser Zahlung kein Schuldeingeständnis verbunden sei. Er hatte mehrfach erklärt, er sei absolut gegen Steuerhinterziehungen.
In zwei Emails wandte sich Mauss – einmal als Dieter Koch und zum anderen als Claus Möllner an das Gericht, allerdings weiterhin, ohne die Fragen des Gerichts wirklich zu beantworten. Wie in den Sitzungen zuvor wurden wieder mögliche Zeugen benannt, die dies und jenes zu den angeblichen Treuhandkonten belegen oder aussagen könnten. Genannt wurde ein weiterer Geheimdienstmitarbeiter aus Israel und ein Bankangestellter aus Panama. Beide seien, bereit per Videoübertagung aus ihrem jeweiligen Heimatland dem Gericht als Zeugen zur Verfügung zu stehen.
Noch lieber wäre dem Gericht aber, wenn Mauss endlich erklären würde, wer denn nun außer dem leider leider schon vor Jahren verstorbenen Gerhard Boeden (ehemals Vize-Präsident des BKA und später Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz) sonst noch etwas mit dem vermeintlichen Treuhandkonto zu tun hatte, wem – wenn nicht Herrn Mauss persönlich – das Geld gehörte und wer Herrn Mauss „als Treugeber“ die vermeintlichen Anweisungen für den genauen Umgang mit dem Geld gab. Seitens der Staatsanwaltschaft wurde darauf verwiesen, dass dem Angeklagten die Vorwürfe nun seit vier Jahren bekannt seien, dennoch habe er immer noch nicht die Treugeber benannt. „Das kann ich ehrlich gesagt nicht nachvollziehen“ so die Staatsanwältin.
Als Prozessbeobachter kann ich die Langmut des Kammervorsitzenden, Markus van den Hövel, und die Leidensfähigkeit der übrigen Prozessbeteiligten nur bewundern. Ich war vor Jahren selbst drei Jahre lang als Schöffe tätig – allerdings an einem Jugendgericht, wo Verhandlungen selten länger als einige Stunden dauerten und die Angeklagten sich in der Regel tatsächlich zur Sache äußerten. Van den Hövel hatte in der vorausgehenden Verhandlung in gewählten aber deutlichen Worten darum gebeten, doch endlich Namen und Fakten zu nennen, statt in jeder Verhandlung eine Variante zu den angeblichen Treuhandkonten zu präsentieren.
Richter: „Wir werden bisschen schwindelig bei der Nummerierung.“
In der Verhandlung vom 19.12. 2016 wurde zur Abwechslung der Begriff des „Geschäftsbesorgungsverhältnisses“ eingeführt – welches angeblich zwischen den geheimnisvollen „Treugebern“ und Mauss/Möllner/Nelson/Koch herrschte.
In der Pause scherzte ein Zuhörer, bei den Treugebern handelte es sich wohl möglich um eine Versammlung der Aliasnamen Möllner Koch u.a., die alle gemeinsam Werner Mauss beauftragten, dies oder jenes zu tun. Die Tatsache, dass Mauss unter zwei Aliasnamen – Dieter Koch und Claus Möllner – Emails an das Gericht sandte und deren Inhalt dann als Werner Mauss mündlich kommentierte, mag zeigen, wie sehr der Mann seine Drei – oder Mehrfaltigkeit verinnerlicht hat.
Verteidiger Prof. Dr. Franz Salditt verwies in der Verhandlung auf eine weitere Besonderheit in diesem Verfahren – nämlich dass mit „allgemeiner Lebenserfahrung“ als Argument in diesem Verfahren nicht argumentiert werden könne. Denn, so der prominente Steueranwalt – niemand – weder die Richter noch die anderen Prozessbeteiligten, hätten jemals als Geheimagenten gearbeitet.
Diese Erfahrung habe nur der Angeklagte und Werner Mauss, dies betonte Salditt gleich zwei mal an diesem kurzen Prozesstag „ist und bleibt ein starker Mann.“
Etwas wehmütig wurde mir als Zuhörer, als auf Antrag der Verteidigung eine Bundestagsanfrage des Abgeordneten Manfred Such und der Grünen Bundestagsfraktion und die Antwort der Bundesregierung zu Werner Mauss in Kolumbien verlesen wurde.Sie war ein Teil einer ganzen Serie an mündlichen und schriftlichen Fragen zum Thema Mauss An diese Diskussion im Bundestag in Bonn kann ich mich noch gut erinnern.
In der Kleinen Anfrage ging es u.a. um die Frage, warum die Bundesregierung ein Rechtshilfeersuchen der kolumbianische Regierung über Jahre verschleppte, mit der Begründung, sie verfüge über keine ladungsfähige Adresse des Werner Mauss – während sie gleichzeitig dem Privatagenten neue Ausweispapier für seine Aliasnamen übergab.
Den Kolumbianern wurde es auch zum Verhängnis, dass sie in ihrem Rechtshilfe-Ersuchen nicht alle Aliasnamen des Werner Mauss aufführten.
Zitat aus der Antwort der Bundesregierung auf die Frage 29 b:
Frage Aus welchem Grund ist das Rechtshilfeersuchen der kolumbianischen Justiz vom 17. April 1989 seitens der Bundesregierung statt an die – für den Wohnort Altstrimmig der Familie „Nelson” (= Mauss) – zuständigen rheinland-pfälzischen Justizbehörden an die nicht zuständige baden-württembergische Justiz weitergereicht worden?
Antwort: Der Name „Nelson” wurde in dem Rechtshilfeersuchen nicht genannt. Im übrigen wird auf die Antwort zu Frage 29a verwiesen.
http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/13/081/1308130.pdf
Weitere Aufklärung erhofft sich das Gericht nun am nächsten Prozesstag, dem 9. Januar 2017, denn da soll Bernd Schmidbauer aussagen. Der ehemalige Staatsminister im Bundeskanzleramt war unter Kanzler Kohl Koordinator der Nachrichtendienste und stand auch mit Werner Mauss in Verbindung. Als Zeugnis dafür veröffentlichte Mauss auf seiner Homepage ein Schreiben des Politikers
http://www.werner-mauss.de/schmidbauer.htm
In manchen Medien wurde Schmidbauer damals schon mal „008“ genannt – wegen seines besonderen Verhältnissen zu Schlapphüten und weil die Agentennummer 007 schon besetzt war.
Auch die Verteidigung versprach, gemeinsam mit den Herren Möllner Koch Maus und Nelson – oder wer sonst noch kommt – spätestens nach dem 9. Januar 2017 für Aufklärung zu sorgen
Es bleibt spannend und verspricht auch weiterhin einen gewissen Unterhaltungswert.
Allen, die sich auf diesen Gerichtstermin etwas vorbereiten wollen, möchte ich ein Buch empfehlen:
Schumacher, Peter und Gómez, Ignacio (1997): Der Agent und sein Minister: Mauss und Schmidbauer in geheimer Mission. Berlin: Elefanten Press.