vonErnst Volland 30.07.2006

Vollands Blog

Normalerweise zeichnet, schneidet, klebt Ernst Volland, oder macht Bücher. Hier erzählt er Geschichten.

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Untergrund                                                                                        

 

 

 

 

 

 .

Manchmal sehe ich einzelne Personen oder Pärchen ratlos vor den

Fahrkarten- Automaten stehen.

Mir ist aus eigener Erfahrung bekannt, dass die Bedienung  der Automaten

eine spezielle Erkenntnis erfordert, die weit über akademische Grade hinausgeht.

Jede Stadt hat ihre eigenen Automaten mit einem spezifischen System.

.

Jetzt steht ein gut gekleideter Mann in fortgeschrittenen Alter

mit einem Schein vor einem U-Bahn Automaten, vermutlich ein

Hamburger. Er schaut  mich fragend an. Er hat kein Problem mit

dem U- Bahn Netz, er weiß wohin er will und wie er dahin kommt,

Kopfschmerzen  bereitet ihm vielmehr, wie er zahlen kann, da er kein

Kleingeld hat, nur einen Fünf Euro Schein. Es ist kalt, der eisige Wind

bläst die Stufen hinunter,  streift  uns und schiebt sich weiter durch den ganzen

Schacht bis zum anderen Ausgang. Der Automat nimmt keine Scheine.

Auf dem Bahnsteig verkehrt kein Personal. Man ist auf sich selbst gestellt.

Ahnungslose Nichtzahler auch Schwarzfahrer genannt, oft Personen,

die eigentlich zahlen wollen, geraten bei einigem Pech in die Fänge

von professionellen Kontrolleuren, die anonym, zu zeit auch zu dritt,

die Waggons durchkämen. Es sind Leiharbeiter

einer Firma, schlecht bezahlt und mit Kopfprämien ausgestattet.

Ich gebe dem vornehmen Herren, der Norddeutsch spricht,

zwei Euro und zehn Cent, genau so viel, wie seine Fahrt kostet.

Einen der Euros werfe ich in den dafür vorgesehen

Schlitz, damit er sieht, ich meine es Ernst.

„Ja aber, wie kann ich das wieder gut machen, wie kann ich Ihnen das Geld wieder

zurück geben?“

„Überhaupt nicht, denken Sie daran, jetzt haben Sie einen guten Menschen

getroffen, einen Engel. Geben Sie es weiter einem Nächsten,

dann haben wir schon zwei Engel.“

Verdutzt schaut mich der Mann an. Schon kommt die U-Bahn.

Wir steigen ein und fahren eine Station zusammen.

„Und ich habe wirklich keine Möglichkeit….. ?“

„Nein. wo fahren Sie denn hin, vielleicht kann ich Ihnen noch einen

Hinweis beim Umsteigen geben. Nollendorf-Platz ist ein

komplizierter Umsteigebahnhof.“

Der Zug hält, Nollendorf-Platz. Wir müssen in verschiedene Richtungen.

Er dreht sich halb um und sagt.

„Ich fahre zum Prenzlauer Berg, dort schaue ich mir ein Mietshaus an,

das ich kaufen möchte. Noch einmal vielen Dank.“

 

 

 

 

 

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