vonErnst Volland 21.07.2008

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Die Rote Fahne als Symbol der sozialistischen und kommunistischen Bewegung

Die signalrote Flagge ist seit Beginn des 19. Jahrhunderts ein sichtbares Zeichen proletarischer Identität. Sozialgeschichtlich markiert die Pariser Commune 1871 den Beginn einer neuen Epoche, weil es, so Sebastian Haffner, dabei „zum ersten Mal um Dinge geht, um die heute in aller Welt gerungen wird: Demokratie oder Diktatur, Rätesystem oder Parlamentarismus, Sozialismus oder Wohlfahrtskapitalismus, Säkularisierung, Volksbewaffnung, sogar Frauenemanzipation (…).

Den Barrikadenkämpfen wurde eine rote Fahne „Le drapeau rouge“ voran getragen und in Liedern besungen. „Die Fahne trägt des Volkes Grollen über Zwingburgen stolz himmelan,“ heißt es in einem französischen Liedtext der Barrikadenkämpfer in der deutschen Übersetzung von Rosa Luxemburg. 1918 gründete Rosa Luxemburg zusammen mit Karl Liebknecht eine Zeitung mit dem Titel „Die Rote Fahne“, ein Titel, den auch andere kommunistische Parteien in ihren Ländern häufig nutzten. Die deutsche Publikation dieser Zeitung war bis 1945 das Zentralorgan der kommunistischen Partei Deutschlands.

Vor der Oktoberrevolution, im russischen Bürgerkrieg, setzten die Bolschewiki die rote Fahne als ein Zeichen weit sichtbarer Warnung vor Pest und Seuchen ein. Später dominierte die Farbe Rot das Erscheinungsbild der russischen Oktoberrevolution und ihre visuelle Verbreitung. Der farbliche Terminus „rot“ tauchte in vielen spezifischen organisatorischen Funktionen auf, so ist die Rote Armee heute noch ein feststehender Begriff. Wenige Jahre nach der Oktoberrevolution, Ende Dezember 1922, transformierte die rote Flagge der Partei auf dem ersten Sowjetischen Kongress in der USSR zur Flagge der Union der Sowjetischen Sozialistischen Republiken. In einer späteren Deklaration ergänzte man symbolisch die rote Fahne, indem der Fahne Hammer und Sichel und ein fünfzackiger Stern hinzugefügt wurde. Der Hammer stand für die Leistungen der industriellen Produktion, die Sichel für die der Agrarwirtschaft. Diese neu gestaltete Flagge der Sowjetunion, setzte die kommunistische Weltbewegung international als ihr Symbol in den verschiedenen Auseinandersetzungen der Klassenkämpfe ein. Es ist daher nicht überraschend, dass die Flaggenhissung der roten Fahne, mit Hammer, Sichel und Stern, auf dem Deutschen Reichstag zu einem deutlichen Symbol des Sieges der Sowjetunion über den Hitler- Faschismus wurde, und somit das Foto zum Symbol

des Sieges.

Chaldejs’ Foto zeigt den Moment der Flaggenhissung auf der Rückseite des Reichtages. Die zerstörte Stadt Berlin ist zu erkennen, aus denen Rauchschwaden emporsteigen. Chaldej selbst sprach niemals von einer Inszenierung. Dass es sich aber um eine Inszenierung handelt, ist aus der Tatsache zu entnehmen, dass die eigentliche Reichtagserstürmung schon am 30. April in den Abendstunden erfolgte. Schon in dieser Nacht soll dort eine rote Flagge gehisst worden sein, allerdings konnte zu diesem Zeitpunkt noch keine Aufnahme gemacht werden, da kein Fotograf oder Kameramann wegen der Dunkelheit anwesend waren.

Die Begründung für die Mythologisierung der Reichstagskämpfe und der großen Bedeutung, die der Flaggenhissung beigemessen wurde, liegt vor allem in dem blutigen Feldzug, den die Nationalsozialisten nach dem Reichstagsbrand 1933 gegen die deutschen Kommunisten begannen. Der Reichstag galt Stalin als Sinnbild für die NS-Herrschaft, obwohl der Ort selbst seit dem Reichstagsbrand 1933 nicht mehr als Sitz des NS-Regimes gedient hatte.

AIZ, Jahrgang , Nr. 17, 1931, 1. MAI, KAMPFTAG DER ROTEN WELTARMEE mit einem Titelfoto von Tina Modotti.

Plakat des russischen Militärs, 1944. „Tod den faschistischen Banditen“. Sammlung Deutsches Historisches Museum, Berlin

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