vonErnst Volland 22.09.2008

Vollands Blog

Normalerweise zeichnet, schneidet, klebt Ernst Volland, oder macht Bücher. Hier erzählt er Geschichten.

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Mann sucht Frau

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„Liebe Gisela, ich denke jede Minute an dich und die gemeinsam verbrachte Zeit. Erinnerst du dich, wie wir in Italien, in Florenz in diesem kleinen Cafe saßen, Venezia hieß es, glaube ich und du meine Hand in deine legtest, ein leichter Wind durch deine schönen Haare ging und du mir mit fester Stimme sagtest, ich liebe dich, ich liebe dich wirklich. Kannst du dich noch an den Chianti Classico erinnern, Jahrgang 71, dein Geburtsjahr, blutrot in der Farbe und einem leichten Brombeergeschmack im Abgang. Du hattest die geleerte Flasche noch ins Hotel mitgenommen, sogar dann noch mit nach Hause und eine blaue Kerze hineingesteckt. Wie schön wäre es jetzt, im Schein dieser Kerze mit dir zusammen zu sitzen und ein kleines Glas Trollinger zu trinken. Ich habe einen wunderbaren Weißwein entdeckt, ein Schnäppchen, fruchtig herb und ganz erstaunlich für einen Müller Thurgau. Wenn du Lust hast, dann ruf mich bitte an und wir trinken ein Gläschen zusammen.“

Mehrmals las er den Brief durch, korrigierte einige Fehler und sprachliche Ungenauigkeiten, druckte den Text aus, las ihn noch einmal und steckte ihn in einen Umschlag. Auf die Rückseite des Umschlages zeichnete er zwei ineinander verwobene kleine Herzen, wie er sie früher bei den Mädchen seiner Schule in der 4. Klasse Grundschule gesehen hatte, wenn diese den Jungs kleine Zettel zusteckten und um ein Meeting baten. Nicht eine Sekunde kam ihm in den Sinn, dass diese kitschige Geste

kontraproduktiv sein könnte, im Gegenteil, er freute sich über seinen gelungenen Einfall, den Text mit einer persönlichen Note zu versehen, die jede Frau emotional berühren musste. Ein Mann, der zwei kleine Herzchen schickt, wird jede Festung erobern. Davon war er überzeugt.

Eine Freundin hatte ihm geraten, nicht alle Briefe wegzuschicken und vor allem nicht täglich. Schreiben sollte er, was auch immer er wolle, aber den Text nicht abschicken, empfahl sie ihm dringend, aber er konnte nicht anders handeln. Je eher die Botschaft im Briefkasten lag, umso wohler fühlte er sich. Bisher hatte Gisela noch auf keinen seiner Briefe reagiert, aber irgendwann musste sie es tun, da war er sich ganz sicher.

Gisela war zu einer Freundin mit dem Namen Beate gezogen, die er unsympathisch fand und er vermutete, dass diese einen großen Einfluss auf sie hatte. Er konnte sich gut vorstellen, wie diese Freundin alle Briefe abfing und Gisela eindringlich beschwor, nicht nachzugeben und keinen Kontakt mit ihm aufzunehmen. Mit Sicherheit hatte Beate sogar Gisela zur Trennung ermuntert.

Die Lust, zu Hause zu frühstücken, war ihm seit der Trennung vergangen. Meistens fuhr er jetzt in die Nähe seines Arbeitsplatzes und setzte sich mit einer Tasse Tee und einem Croissant in ein kleines Cafe, das von einem Italiener mit einer deutschen Frau geführt wurde. Er war ein gern gesehener Gast bei Roswitha und Roberto.

Rosita war groß und blond, fast 1,85 m, kam aus Leipzig und war stolz auf ihren Dialekt. Roberto sah genauso groß aus wie Roswitha, es fehlten ihm ganze zwei Zentimeter um mit ihr gleichzuziehen.

Im Sommer machten sie jede Menge Geld mit einer breiten Palette original italienischem Speiseeis und im Winter versuchten sie mit einem bis in den Abend reichenden Frühstücksangebot über die Runden zu kommen. Die beiden Besitzer des gemütlichen Cafes waren längst über seinen gegenwärtigen Zustand aufgeklärt und sie trösteten ihn täglich mit aufmunternden Worten, wenn er mit konstant missmutigem Gesicht durch die Tür kam.

Gisela kommt hundertprozentig zurück, du musst nur ein bisschen warten. Geduld, Geduld, in spätestens vierzehn Tagen, eher noch, in einer Woche ist sie wieder bei dir.

Ihm waren diese Äußerungen peinlich, da immer auch andere Gäste anwesend waren, einzelne Besucher, die an ihrem Latte Macciato nippten und unschuldig in die Gegend schauten. Er bat beide immer sofort mit einem Zeigefinger am Mund, nicht so laut zu sprechen, dennoch war er froh dass sie ihm so viel Aufmerksamkeit schenkten.

Weiße du, der Onassis ist auch zu die Callas zurück, mehrere Male oder die, wie heiße sie denn noch Roswitha, äh die eine da, mit die große Augen, die Schauspielerin in den spannende Krimi, musse kucken, na wie heiße denn noch, Doppio wie immer?.

Roberto war in Deutschland geboren, sein gewinnendes Lächeln kam aus einem Dreitagebart und Roswitha hatte alle Mühe, ihn auf Dauer hinter dem Tresen zu halten.

Die Perspektive von einer Woche, vielleicht sogar vierzehn Tagen ohne Gisela, die er 1:1 als Realität wahrnahm ließ keinen Schimmer von Hoffnung in seine

bedrückte Seele leuchten, sie versetzte ihm vielmehr einen Schlag in die Magengegend, denn eine Woche hatte sieben Nächte und sieben grauenvolle Tage, jeder Tag 24 Stunden und 2 Millionen Minuten.

Fortsetzung folgt

Kaitel 1- 3 siehe Blog vom 17. 09. 2008

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