vonErnst Volland 13.09.2010

Vollands Blog

Normalerweise zeichnet, schneidet, klebt Ernst Volland, oder macht Bücher. Hier erzählt er Geschichten.

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Auch in der allgemein heißgeliebten Berliner Mitte wird schlechte Laune verbreitet. Warum nur? Sicherlich auch, weil sich die meist gut verdienenden Kunden und die Touristen den Nepp leisten können. Auch ich bin gerade wieder einmal mit meinem Kollegen Käthe Ce auf einen sich locker gebenden Anbieter reingefallen. Natürlich haben wir anschließend unsere Meinung gesagt, jedoch den Fehler gemacht, nicht vorher auf die Karte zu schauen. Der Vorgang ist erwähnenswert und soll hier mit Ross und Reiter genannt werden. Es handelt sich beim Anbieter um einen Gemischtwarenladen (Käse, Wein, Wurstsalat, Brezel usw). Im Laden stehen Tische zum verweilen, man kann auch auf einigen Bänken und Tischen draußen an der nicht sehr belebten Straße sitzen. Toiletten sind nicht vorhanden.
Gutgelaunt bestellen wir nach unserer zufälligen Begegnung am Tresen (Selbstbedienung möglich, aber auch mit Bedienung) zwei „kleine preiswerte Rotweine“ . Nach einigen launigen Scherzen mit dem Herrn hinter dem Tresen (ca 35 Jahre, Brille, gepflegter Bart, weißes Hemd, schwarze Schürze, Typ Moderator TV) bestellen wir noch zwei Brezel und ca 100 Gramm Bergkäse, der wie fallende Mikados in fünf kinderfingergroßen viereckigen Streifen auf einem Holzbrett zu uns auf die Bank direkt an der Straße gebracht wird. Die beiden kleinen Rotweingläser nehmen wir selbst vom Tresen mit. Der Wein überzeugt uns nicht, mit der Brezel und einem Happen Käse ist er jedoch trinkbar. Die Überraschung folgt bei der Bezahlung. Der kleine Snack, fünf Käsestängchen, zwei Minirotweine und zwei Brezel kosten 14, 00 Euro. (Bezahlung ohne Kassenbon). Nachdem wir die Qualität des Weines und den überzogenen Preis
bemängeln, zeigt uns der Tresenmann die Weinflasche. Auf dem Etikett steht: Kleiner preiswerter Wein. Das ist der Name des Weines aus der Pfalz. Lustig. Dann brechen wir die Auseinandersetzung ab und gehen zur Entspannung dreihundert Meter weiter an den Fuß des Prenzlauer Bergs zu einem italienischen Laden, mit gleichem Konzept: Bänke und Tische an der Straße, Bestellung am Tresen, diverse Weine, Käse, Wurstwaren aus der Vitrine.
Wir bestellen zwei 0,1 Merlot (Rotwein), finden auch einen Bergkäse, den wir in viereckige kinderfingergroße Stangen schneiden lassen und den man uns mit acht Stängelchen strahlenförmig auf einem Teller serviert (ca 100 Gramm). Brezel sind nicht im Angebot. Wir entscheiden uns für ein Ciabattabrot, das in fünf Scheiben in einem Brotkorb angeboten wird. Der Wein schmeckt mit Brot und Käse annehmbar. Der Gang zur Kasse erfreut uns und lässt den geschwollenen Kamm etwas abkühlen: 5, 38 Euro. Der Betrag für nahezu die gleichen Produkte (immerhin in diesem Fall italienische) ist weit unter der Hälfte von 14, 00 Euro, bezahlt beim Vorgänger. Darauf komplettieren wir durch zusätzliche Angebote den Preis bis 14, 00 Euro. Käthe Ce gönnt sich noch einmal ein Glas Merlot 0,1. Ich bestellte hundert Gramm eingelegte kleine Heringfilets, anschließend einen doppelten Espresso, der sehr gut schmeckt und für mich bisher der Grund war, bei dieser Pasta Bar hin und wieder anzuhalten. (Besser noch: Solch einen guten Espresso findet man in dieser Gegend selten, Dobbio 2,00 Euro!). Wir zahlen und kommen auf weitere 6, 50 Euro. Zusammen macht das 11, 38 Euro, ein Betrag, der immer noch weit entfernt ist von 14, 00 Euro, gezahlt beim Vorgänger. Ich kaufe noch eine Flasche Weißwein für vier Euro. Den Wein öffne ich zu Hause und er schmeckt! Mit der 0, 75 Flasche Weißwein am Schluss sind wir insgesamt bei 15, 38 Euro gelandet, haben aber insgesamt nur 1, 38 Euro mehr bezahlt.
Der Abzocker:
Zwei Brezel, zwei 0,1 Rotweine, 100 Gramm Bergkäse. Zusammen 14, 00 Euro.
Der gute Italiener:
Ein kleines Ciabattabrot, drei 0,1 Rotweine, 100 Gramm Bergkäse, einen doppelten Espresso, 100 Gramm Heringfilets, eine 0, 75 Flasche ital. Weißwein (Cabernet Sauvignon). Zusammen 15, 38 Euro.

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