vonErnst Volland 04.11.2010

Vollands Blog

Normalerweise zeichnet, schneidet, klebt Ernst Volland, oder macht Bücher. Hier erzählt er Geschichten.

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„Wir wollen anonym bleiben und nennen nicht unsere Namen, auch nicht unsere jeweilige Fächerkombination. Wir leben und arbeiten in Berlin, aber die Probleme existieren auch in Hamburg, München, Gelsenkirchen oder Köln.
Ich L1, bin Realschullehrerin (jetzt neue Sekundarschule) und ich L2, bin Hauptschullehrer, der Schultyp wird auch als Oberschule bezeichnet. Wir sind beide seit seit 1975, bzw. 1978 als Lehrer in Berliner Schulen tätig. In zwei, drei Jahren ist Schluss.“

Volland : „Wir Lehrer sind die Fußabtreter der Nation!“ So lautet eine Schlagzeile in der Berliner Boulevardpresse. Ist das so?

Lehrer 1 : Nein, ich seh’ mich nicht so, aber das Gesellschaftsbild des Lehrers ist so. Gerhard Schröder hat uns als faule Säcke bezeichnet, also unseren Beruf diskreditiert.

V.: Als Lehrer hat man doch viele Ferien.

Lehrer 2 : Die tatsächliche Arbeit sieht wie folgt aus: Es fängt bei den unterschiedlichen Schultypen an; psychische Belastung; zeitintensive Korrekturfächer. Lehrer haben so gut wie kein Wochenende. Sie arbeiten sieben Tage die Woche. Die genaue Lehrerarbeitszeit kennen die Leute nicht. Sie gehen immer noch davon aus, dass es sich um einen Halbtagsjob handelt, nachmittags wird Rasen gemäht. Das war vielleicht vor 30 Jahren.

V. : Lehrer bekommen Anerkennung in Form von Geld und Ferien.

L1: Lehrer arbeiten garantiert mehr als 40 Stunden pro Woche und das bei einem Durchschnittsverdienst auf Augenhöhe einer Aldi Kassiererin.

L2 : Unsere Gehaltsstufe ist öffentlich. A12, A13 Beamte; BAT 2, BAT 3 Angestellte. Neue Angestellte bleiben Angestellte, sie verdienen nicht einmal 2000 Euro im Monat. Die Beamten laufen aus, eine Berliner Sparmaßnahme unter Sarrazin. Man spekuliert beim Senat auf die Attraktivität der Stadt Berlin und denkt, die angestellten Berliner Lehrer sind halt Angestellte, aber dafür in der Stadt Berlin. Als Angestellter verdienst du weniger, diese kosten also auch weniger. Angestellte dürfen allerdings streiken. In den meisten anderen Bundesländern wird immer noch verbeamtet.

L1 : Klar ist: Der Lehrer wird für seine Arbeitsleistung schlecht bezahlt.

V. : Wie war die Klassenstärke in den 70er Jahren?

L1 : 28 Schüler.

V. : Und heute?

L1 : Auch 28. Das sind eindeutig immer noch zu viele Schüler. Man will sparen. Wowereit interessiert das nicht, die rot/ rote Regierung insgesamt nicht. Unter der CDU Regierung allerdings interessierte das auch niemand. Einzige Ausnahme war die damalige Schulsenatorin Renate Laurien. Sie kam aus der Praxis.

V. : Bildung ist ein hohes Gut.

L 1 : Das interessiert in diesem Senat niemand, schon gar nicht Wowereit. Solange hinten so viel Output heraus kommt, dass es für ein paar billige Arbeitskräfte reicht, ist die Welt für den rot/ roten Senat noch in Ordnung

V. : Wie war die ethnische Zusammensetzung am Anfang eurer Laufbahn?

L1 : Von 28 Schülern waren 2 Türken, 26 deutsche Schüler. Heute sind es 26 Türken und 2 deutsche Schüler.

V. : Sprechen die türkischen Schüler Deutsch?

L1 : Ja, aber oft sehr schlecht.

L2 : Untereinander sprechen sie in ihrer Heimatsprache, also man hört oft türkisch, was nicht erlaubt ist.

L1.: Von den 26 Schülern in meiner 10. Klasse sind nicht alle Türken. Es sind mehrere Araber dabei, eine Serbin, ein Chinese, Russen, Polen. 20 % haben die deutsche Staatsbürgerschaft.

V.: Sind auch Diplomatenkinder darunter?

L1: (Lächelt) Wie bitte? Vielleicht als Putzmann bei einem Diplomaten.

L2 : 60 % der Schüler bekommen einen mittleren Schulabschluss, alle wollen natürlich das Abitur machen, sehr wenige schaffen es.

L2: Bildung hat für unsere Schüler keine Bedeutung. Sie wollen nicht lernen.

L1: Ja, das muss man sagen, die Schüler wollen einfach von sich aus nicht lernen.

V. : Haben die Eltern der Schüler einen Beruf?

L1: Die Hälfte der Eltern haben keinen Beruf, den sie ausüben.

L.2 : Die Eltern der türkischen Kinder sind hier geboren. Halt, nein. Der Vater ist meist hier geboren und holt dann seine Frau aus der Türkei. Oft sprechen die Eltern ein besseres Deutsch als die Kinder.

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