vonErnst Volland 11.04.2012

Vollands Blog

Normalerweise zeichnet, schneidet, klebt Ernst Volland, oder macht Bücher. Hier erzählt er Geschichten.

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Um den Currystand am Mehringdamm in Berlin bildet sich oft eine Traube. Diese Wurst
soll neben „Konopke“, einem traditionellen Currywurststand im Ostteil der Stadt, die beste in Berlin sein.

Heute, Karfreitag, 15 Uhr, führt von der Currytraube eine schnurgerade Menschenschlange fünfzig Meter bis zu einer Dönerbude und man muss sich erst orientieren, um zu erkennen, dass die Schlange nicht zum Currystand gehört, sondern zu „Mustafas Gemüse Kebab“.

Karfreitag 15 Uhr, die Glocken einer Kirche in der Nähe läuten und machen drauf aufmerksam, dass dieser Tag in der Katholischen Kirche ein strenger Fast- und Abstinenztag ist.
In dieser Stunde, um 15 Uhr, konzentriert sich die tiefste Trauer über den Tod Jesus Christus.
Ich stehe auf der anderen Seite des Mehringdammes. Eine Frau spricht mich an: „Was ist los, warum so ville Leute dort?“ Mit dem Fotoapparat stelle ich mich auf den Mittelstreifen und fotografiere die Schlange. Etwas weiter sitzen drei junge Leute. Sie essen, wie sie mir vergewissern, einen “köstlichen Gemüsedöner“.

„Es gibt keinen besseren. Wir sind nicht aus diesem Viertel, kommen aber ausschließlich wegen des fantastischen Gemüsedöner hier her.“
„Was ist daran so besonderes?“
„Er ist so frisch, mit Zitrone. Er schmeckt einfach sensationell.“
„Wie lange haben Sie auf die Köstlichkeit gewartet?
„Ungefähr eine Stunde, ja mindestens eine Stunde. Es hat sich gelohnt.“

Zwei Stunden später passiere ich mit meinen Fahrrad die gleiche Stelle. Die Schlange zu Mustafas Gemüsedöner ist genauso lang wie vor zwei Stunden. Ich fotografiere die Schlange auf dem Mittelstreifen und finde auf dem Rasen ein zwei- Euro Stück. Die Münze werfe ich am Eingang zur U- Bahn Mehringdamm in die Plastikschüssel einer bettelnden, etwas dicklichen, grauhaarigen Frau. Das Geldstück fällt zwischen ausschließlich 1 und 2 Cent Münzen, die den ganzen Boden der Schüssel bedecken.

Mein Weg führt anschließend zum Prenzlauer Berg. Dort finde ich auf einem Bürgersteig ein dickes Stück rohen Schinken, etwa 250 Gramm. Nachdem ich mir die am Schinken achtlos Vorbeigehenden eine Weile angeschaut habe, etwa fünf Meter vom Fleisch entfernt, fotografiere ich von oben das gut sichtbare Stück.
Am nächsten Tag stolpere ich über ein halbes Vierkantenbrot (500 Gramm), das neben einer Baumwurzel in der Bergmannstraße liegt. Kein Foto.

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