vonErnst Volland 28.08.2012

Vollands Blog

Normalerweise zeichnet, schneidet, klebt Ernst Volland, oder macht Bücher. Hier erzählt er Geschichten.

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Ein heißer Sommertag, ein Uhr mittags. Kein Auto auf der Straße. Man sitzt
an den Tischen im Haus und genießt das Sonntagsessen. Oder ist hinaus
gefahren ins Brandenburgische. Liegt am See, macht ein Nickerchen
unterm Dach der Veranda und geht dann in die Küche, um die Vorbereitungen für den Grillnachmittag zu treffen.
In Gedanken an einen solchen Ort am Rande eines Kiefernwaldes fährt er
mit dem Fahrrad die staubige Belziger Straße entlang. Auf dem letzten Stück
der Straße, an der Kreuzung Akazien Straße, dort, wo sie leicht ansteigt,
oben eine Biegung macht und dann auf die Hauptstraße stößt, radelt er die
zweihundert Meter auf dem Bürgersteig. Den Weg fährt er täglich. An der Kreuzung
Akazien Straße benutzt er immer den Bürgersteig, weil der Anstieg etwas mühselig ist und die Steigung noch erschwert wird durch die mit großen vierkantigen Pflastersteinen belegte Fahrbahn. Fast alle Radfahrer fahren auf dem Bürgersteig.
Heute jedoch kein Mensch weit und breit zu sehen. Kein Radfahrer, kein Fußgänger.
Der Wetterbericht meldete am Morgen: Heute wird es sehr heiß. Wir erwarten den heißesten Tag des Jahres.
Die Luft steht still. In den Bäumen kein einziger Vogel.

Auf halber Höhe des letzten ansteigenden Stückes der Belziger Straße tauchen plötzlich zwei Personen vor ihm auf.

„Bitte absteigen, das ist kein Radweg. Absteigen.“

Die Aufforderung war nicht notwendig, denn die Unbekannten, ein Mann und
eine Frau, schneiden seinen Weg direkt ab, so daß er gar nicht weiter fahren kann und vom Fahrrad absteigt. Dabei stößt er mit dem rechten Knie gegen den Lenker, strauchelt, kann sich aber gerade noch fangen und steht jetzt vor den beiden Menschen, die ihn nötigten abzusteigen.
Im ersten Augenblick denkt er an eine Werbeaktion für eine neues Cafe oder einen Handyladen.
Dann sieht er eine Dienstmarke in der Hand des Mannes. Jetzt nimmt er auch
die Kleidung wahr. Beide tragen ein weißes Hemd mit Streifen besetzten
Schulterklappen und eine dunkle Hose.

„Das macht zehn Euro, sofort zahlbar.“

Seine Kollegin wedelt mit einem Quittungsblock.

„Moment:“

Mit den Augen sucht er die Umgebung ab, dreht den Kopf in alle Himmelsrichtungen und wendet sich dann den beiden Ordnungshütern zu.

„Wenn das nicht „Versteckte Kamera“ ist. Ist es doch oder?“

Dabei blickt er wieder suchend die Umgebung ab.

„Zehn Euro kostet das. Fahrradfahren ist auf dem Bürgersteig verboten.“

„Das ist mir klar, aber hier ist doch niemand. Das Ganze ist doch ein Scherz. Eben

„Versteckte Kamera“.“

„Jetzt zahlen Sie sofort 10 Euro oder wir nehmen Ihre Personalien auf und das kann teuer werden.“

Mit einem Griff zieht er sein Portmonee aus der Tasche, zückt einen Schein und sagt.

„Hier haben Sie zwanzig, der Rest ist Trinkgeld.“

Mit Schwung steigt er auf sein Fahrrad und radelt auf dem Bürgersteig die letzten Meter der Belziger in der Biegung, die auf die stark befahrene Hauptstraße führt. Er schaut nicht zurück.
Ein ungewöhnlicher Tag, denn auch auf der Hauptstraße fährt heute kein einziges Auto.

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