vonErnst Volland 30.08.2012

Vollands Blog

Normalerweise zeichnet, schneidet, klebt Ernst Volland, oder macht Bücher. Hier erzählt er Geschichten.

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Man sollte den Kölner Karneval meiden, wenn man nicht Kölner ist oder man
sollte gerade aus diesem Grund an den „tollen Tagen“ teilnehmen. So sagen es
Experten. Es darf auch Düsseldorf sein oder Mainz oder Remagen,
Grevenbroich oder Bonn. Aber Kölle Alaf in Berlin?
Karneval in Köln hin und Düsseldorf her, ich ließ mich eines Tages
überreden, in der Friedenauer Nachbarschaft an einem Karnevalsfest
mitzumachen, für jung und alt,Verkleidung erwünscht. Karneval in Berlin,
das kann nur eine Schnapsidee sein, dachte ich, doch der Bitte mitzumachen,
folgten einige gute Bekannte und Freunde, die sogleich sich mit Verkleidungsideen übertrumpften.
„Ich geh als gestiefelter Kater“, „Ich als Schornsteinfeger„, “Blinde Schönheit“,
„Frosch“, waren die diversen Vorschläge und ich dachte an den Aufwand, der
betrieben werden musste, um in diese Rollen zu schlüpfen. Ich entschied mich kurz vor dem Fest für die Kluft eines Zauberers, eher eine Verlegensheitslösung.
Mein Outfit schwankte zwischen Pirat, Lumpensammler und Clown. Als
eindeutiges Signum meiner Zauberei diente der Chapeau Claque in meiner Hand.
Doch was zaubert ein Könner aus diesem Zylinder? Mein Blick fiel auf ein kleines Stoffhäschen aus dem Kinderzimmer meiner Tochter. Mit Häschen und Zylinder
konnte ich mit dem klassischen aller Zaubertricks aufwarten, wusste jedoch nicht,
wie dieser ausgeführt wird. Daher bestand ich auf die bloße Symbolik eines
Zauberers und antwortete denen, die von mir Zauberstücke forderten, ich spiele
ihn nur, stelle ihn dar, zaubere jedoch nicht. Das Häschen ruhte im Kegel des
Zylinders und wurde nicht gesehen.

Die Stimmung im Haus war bestens, Pfannkuchen wurden verdrückt, Bowle
getrunken und Luftschlangen geworfen. Um in das richtige Karnevalsvergnügen
zu kommen stellte ich mich in die Nähe der Bowle und ließ mir ein Glas nach
dem anderen einschenken.
Nach einer Polonaise durch die ganze Wohnung, an der ich mich nicht beteiligte
riefen plötzlich zwei, drei Kinder.
„Hier ist ein Zauberer, ein richtiger Zauberer,“ und zeigten dabei auf mich,
der gerade ein Stück Obst aus seinem Bowle Glas mühselig mit beiden Finger
fischte, das unverrückbar an der Innenglaswand klebte.
„Zaubern, zaubern, zaubern,“ riefen jetzt auch andere Kinder und einige
Mütter fielen in diesen Chor.
„Zaubern, Zaubern, zaubern,“ der Chor schwoll an . Erneut steckte ich drei
Finger durch den engen Durchmesser des Bowleglases, schnappte mir das
Obststückchen, schob es in den Mund, stand auf und sagte:
„Ich werde zaubern, aber nicht jetzt und nicht hier.“
Das Ausweichmanöver reizte die Stimmung noch mehr an.
„Zaubern, zaubern, zaubern.“
Um mich herum hatte sich ein Halbkreis verkleideter Menschen gebildet,
die sich nicht davon abbringen lassen wollten, dass ich jetzt als Zauberer auftrete.
Ich stand an der Wand, neben der großen Bowleschüssel, das leere Glas in der Hand.
Vom Alkohol der Bowle auf dünnes Eis geführt, unterbrach ich den Zauberchor.
„Ja ja ich zaubere jetzt, „ schrie ich, ohne jemals in meinem Leben gezaubert zu haben.
Mir war augenblicklich klar, dass ich jetzt sofort irgendetwas unternehmen musste,
das wie zaubern aussah, sonst kam ich aus dieser Ecke nicht heraus.
„Ja, wunderbar, der Zauberer zaubert,“ rief die Menge.
„Alle in das Berliner Zimmer, der Zauberer zaubert.“
Fünfzig Augenpaare blickten auf mich, große, kleine und ganz kleine, denn
einige Frauen hatten ihre Babies aus den Betten geholt. Der Zauberer kommt.
Ich stand in der Mitte, schwankte ein wenig, hüpfte in der Enge mit einem
angedeuteten einfachen Rittberger in die eine Ecke und dann in die andere.
Dann schwenkte ich den Zylinder in einem Kreis, verbeugte mich, kam wieder
hoch, trippelte nach vorn und zurück, drückte den Zylinder an die Brust, verharrte
und zog dann das Stoffhäschen langsam an der Krempe des Zylinders hervor.
Erst ein Ohr, dann den Kopf, dann das ganze Tier.
Applaus, nicht stürmisch, aber Applaus.
Da ich nicht wusste, was jetzt folgen sollte und die Menge neugierig wartete,
hüpfte ich wieder nach links und rechts, verbeugte mich und machte den gleichen
Trick noch einmal. Dieses mal hielt ich den Zylinder nicht an die Brust sondern
auf den Rücken und zupfte das Häschen mit einem Ruck hervor.
Diesmal klatschen nur wenige. Beim dritten mal klatschte niemand. Nur ein
kleines, etwa dreijähriges Mädchen mit einer riesengroßen roten Knollennase
direkt vor mir, strahlte mich an und klatschte ununterbrochen in die Händen.
Da trat aus dem Menge ein Mann in typisch bayerischer Kleidung, die im als
Kostüm diente hervor und sagte.
„Dieser Zauberer zaubert Stofftiere, ich zaubere echte Tiere.“
Die Menge drehte sich zu ihm um. Sein graue Jacke hatte grüne mit Eichenblättern
besetzte Abnäher und Knöpfe aus Rehgeweihscheiben.
Mit dieser Tracht ging er einige Schritte nach vorn und drehte sich einmal um
seine eigene Achse. Er blieb regungslos einige Sekunden stehen und zog dann
durch Öffnen der einen Seite der Jacke einen ausgewachsenen Hasen hervor.
Die Menge rührte sich nicht, die vielen Münder blieben geöffnet. Er schob
den Hasen, dessen Hinterläufe fest in seiner Faust steckte und ein wenig zappelte
wieder unter seine Trachtenjacke, zog ihn noch einmal zur Hälfte hervor und
verschwand dann, die Menge teilend aus dem Raum.
„Bravo, bravo, super toll, toll“, rief die Menge, klatschte unentwegt und folgte dem Trachtenträger durch die Enge der Tür.
Vor mir stand allein das kleine Mädchen und klatschte nur für mich.

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