vonErnst Volland 21.05.2013

Vollands Blog

Normalerweise zeichnet, schneidet, klebt Ernst Volland, oder macht Bücher. Hier erzählt er Geschichten.

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Bei Rheinsberg im Brandenburgischen reizen die vielen kleinen Seen zum radeln.
So machen wir uns für vier Tage auf, um von Zechlinerhütte aus die vielfältige Seenplatte
mit dem Rad kennen zu lernen. Das Wetter spielt mit. Am ersten Tag, der in Neuruppin, der Stadt Theodor Fontanes beginnt, nieselt es ein wenig, doch unsere Fahrradgruppe steigt in die Pedale und lässt sich von ein paar Tropfen nicht beeindrucken.
Die Übernachtung im Hotel am See, mit Zimmerblick auf den See, verblüfft durch spartanische Genügsamkeit und Enge, versöhnt jedoch im Preis. Auch die Küche kann sich sehen lassen, die Speisekarte bietet für drei Abende reichlich Auswahl.
Das Jahr hat durch einen langen Winter spät mit dem Frühling begonnen. Jetzt blühen überall die weiss leuchtenden Obstbäume, Apfel, Birne und auch Kirschen. Da geht das Herz auf in der Natur.

Am Stechlinsee führt ein einziger erdiger schmaler Weg mit geringen Schwierigkeitsgraden um den ganzen See herum, verursacht durch die vielen kleinen und dicken Wurzeln der Bäume, die direkt am Wasser stehen. Der See liegt sanft und ruhig.
Es ist im Laufe der Jahre gelungen, durch wen auch immer, unmittelbar am See keine Gebäude zu errichten, so dass man den Eindruck des Ursprünglichen und Unberührten erfahren kann. So soll der Stechlin auch vor 150 Jahren, zu Zeiten Fontanes ausgesehen haben.
Die Sonne scheint und die Landschaft und das Land zeigen sich von der besten Seite. Mischwald, Seen, Wiesen und ab und zu taucht eine Fischereihütte auf, mit geräuchertem Hecht, Maränen, Forelle und Aal. Vier pralle Tage liegen hinter uns mit angeregten Gesprächen und eindrucksvollen Natureindrücken.

Von Neuruppin geht es wieder mit dem Regio zurück nach Spandau. Fünf Kilometer vor dem Bahnhof Neuruppin-West entleeren die bis zum Horizont tief dunklen Wolken ihre Ladung. Der Regio wird hier eingesetzt, das wussten wir und so können wir bequem unsere Fahrräder im entsprechenden Stauraum unterbringen. Schon an den folgenden Stationen müssen einige wartende Radler zurück bleiben und auf den nächsten Transport hoffen. Zu wenig Stellplätze, ein sommerliches Dauermanko für Radfahrer, das die Bundesbahn seit Jahren beobachtet, aber nicht beseitigt. Der Himmel bleibt bis nach Berlin hinein verhangen. Im Bahnhof Spandau prallt uns dir feuchte stickige Luft entgegen. Größer könnte der Kontrast zu den letzten Tagen nicht sein: Ein Heer grauer Gesichter mit stumpfen Blicken. Vielleicht ist vielen die üppige Freizeit seit dem Vatertag vor vier Tagen nicht gut bekommen. Oder sehen uns die anderen ebenso?
Am Abend zurück in die mediale Zivilisation. Das eingeschaltete Breitleinwandbild zeigt das Portrait des Verteidigungsministers Thomas de Maizière. Der Bericht ist vorbei und schon taucht er in der nächsten Sendung „Bericht aus Bonn“ wieder auf. De Maizière, der Prototyp des korrekten Preußen mit dem Charme eines weiss bekittelten Drogerieverkäufers, blinkt die Zähne. Einfache Fragen des Fernsehjournalisten bezüglich des Zustandes der Bundeswehr kontert er routiniert. Man sagt ihm Ehrgeiz nach, bis hin zur Nachfolge der langlebigen Kanzlerin, zu deren engsten Vertrauten der christliche Christdemokrat gehört. Ihn hat sie noch nicht weg gebissen, doch jetzt entblößt er eine offene Flanke. Das teure Aufklärungsdrohnenprojekt hatte de Maizière bei der Amtsübernahme vom des durch öffentlichen Druck aus dem Amt weichenden Vorgängers Theodor zu Guttenberg übernommen, dem man unter anderem eine glatte Fälschung seiner Doktorarbeit nachweisen konnte. Guttenberg wiederum hatte seinen Job während der laufender Amtsperiode vom Christdemokraten aus Hessen, Franz Josef Jung übernommen. Dieser musste wegen Lügen und lückenhaften Aussagen in der afghanischen Kunduzaffäre seinen Hut nehmen. Jung blieb nur 33 Tage auf seinem Sessel sitzen. Eine Peinlichkeit reiht sich nach der anderen, oder man könnte auch sagen, eine Deckung des Verbrechens nach der anderen. Verbrechen? Aber ja. Hier erscheint wieder ein klassischer Euphemismus, denn man muss eher von einem Verbrechen als von einer Affäre sprechen. Immerhin sind bei dem Bombenangiff auf den Kunduztanklastwagen etwa hundert Menschen, Zivilisten, darunter viele Kinder, umgebracht worden, die sich mit Töpfern bewaffnet, etwas Gratisbenzin aus einem umgestürzten Tanklastzug erhofften. Der Befehl gebende Bundeswehrsoldat Oberst Klein ist inzwischen zum Brigadegeneral befördert worden. Die Urkunde hat ihm de Maizière vor ein paar Tagen überreicht.
Jetzt kommt der sonst so sichere Verteidigungsminister doch ein wenig ins straucheln. Die Details über Beschaffung und Anwendung von Aufklärungsdrohnen haben mehr als 500 Millionen Euro gekostet. Die teuren Objekte einer amerikanischen Firma mit dem schönen Namen Euro-Hawk (Euro-Falke) werden jedoch nie zur Aufklärung aufsteigen können, da diese in Europa keine Flugerlaubnis besitzen. Ein amerikanisch deutscher Schildbürgerstreich, vergleichbar mit dem Verkauf eines Luxus-Mercedes ohne Fahrerlaubnis auf deutschen Straßen.
Guter Rat ist teuer. De Maizière wusste seit langem von diesem Coup, verteidigte den Kauf jedoch vehement in der Öffentlichkeit und so lange, bis der Skandal nicht mehr zu vertuschen war.
Man versuche nun, den technischen Kern der Geräte in flugtaugliche Objekte zu bauen, so seine Worte, was allerdings weitere 500 Millionen koste oder müsse leider ganz vom Gebrauch der Aufklärung absehen. Nächster Punkt bitte.
Die Presse spricht über de Maizière von einem „Kratzer am Lack“.
Benötigten wir am Stechlinsee Euro-Hawks? Eindeutig Nein. Ich brauche keine Drohne. Ich brauche auch keine deutsche Drohne, die zur Spionage (Aufklärung!) über andere Länder fliegt. Aber ich brauche auch kein Stuttgart 21, keine Elbphilharmonie, keinen neuen Berliner Flughafen, kein….
Interessant ist die Frage, was man mit den in den Sand gesetzten 500 Millionen Euro für die Menschen im märkischen Sand hätte realisieren können?
500 Millionen für die Mark Brandenburg? Das könnten sein:
100 Millionen allgemeine Arbeitsbeschaffungsprogramme,
30 Millionen für Kindertagesstätten.
40 Millionen für die Altenspflege
50 Millionen für die Renovierung von Gedenkstätten
30 Millionen für Programme gegen Neonazis.
40 Millionen für neue Ganztagsschulen
70 Millionen für sportliche Einrichtungen.
Bleibt ein Rest von 140 Millionen, die man ein paar Kilometer weiter, in Meck-Pomm, gut gebrauchen könnte.

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