vonErnst Volland 17.12.2013

Vollands Blog

Normalerweise zeichnet, schneidet, klebt Ernst Volland, oder macht Bücher. Hier erzählt er Geschichten.

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Hamburg

Das Auto fährt am Michel vorbei in Richtung Binnen Alster. Das Stammlokal meines Hamburger Freundes ist das Köpi und bevor er seinen Wunsch äußert, lenke ich das Auto in Richtung Kneipe.
„Kannst du hier mal anhalten, nur einen Moment?“
fragt er, kurbelt das Fenster herunter und steckt seinen Kopf hinaus. Auf dem Bürgersteig drängen sich viele Menschen, die eilig hin und herlaufen. Ein Pärchen steht direkt neben unserem Auto und zündet sich eine Zigarette an.
„Hallo, please, Kurfürstendamm, where is the Kurfürstendamm? Kurfürstendamm!“
Mein Freund spricht das Pärchen direkt an. Die beiden beugen sich gleichzeitig zu ihm herunter.
„No, no, hier not Kurfürstendamm“. Der Mann zeigt mit dem Finger auf den Boden.
„Hier not Kurfürstendamm, hier not Kurfürstendamm, no no“
Und seine Begleitung fügt hinzu:
„Hier Hamburg! Hamburg.“
Mein Freund lässt sich nicht aus der Ruhe bringen.
„But where is the Kurfürstendamm, where? Ich nix verstehen.“
Der Mann lässt die angefangene Zigarette vor seine Füße fallen, tritt mit einem Schuh auf die noch rollende Zigarette und lehnt sich mit einem Ellenbogen auf die Kante des herunter gekurbelten Fensters. Beim Sprechen spuckt er leichte Bläschen unmittelbar in das
Gesicht meines Freundes. Die Frau hat sich wieder aufgerichtet. Sie nimmt einen tiefen Zug von ihrer Zigarette und schaut in die Ferne.
“No, no hier Hamburg, Kurfürstendamm ist in Berlin, you know, in Berlin, you are in Hamburg, Hamburg, hier Hamburg, not Berlin.”
Mein Freund verdreht den Kopf, um der Bläschenladung zu entgehen.
“Gidachtenichtekirche, where ist Gidachtenichtekirche here on the Kurfürstendamm, bittä?
„Auch nix hier, Gedächtniskirche, haben wir hier nicht, die ist auch in Berlin. In Berlin, wie der Kurfürstendamm. Hier Hamburg, Alster, Hafen, Reeperbahn, you know, nix Gedächtniskirche.“
Bei seinen Ausführungen deutet der Mann immer wieder mit dem Zeigefinger auf den Boden.
„Hofenbräuhaus, where is the Hofenbräuhaus?“ fragt mein Freund.
Ruckartig schnellt der Mann hoch und schaut seine Frau mit offenen Mund an.
„Was hat er gesagt?“ fragt seine Frau.
Mein Freund haucht ein „Thank you“ aus dem Fenster und kurbelt die Scheibe hoch.
„Wir fahren jetzt ins Köpi!“

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