vonErnst Volland 22.12.2013

Vollands Blog

Normalerweise zeichnet, schneidet, klebt Ernst Volland, oder macht Bücher. Hier erzählt er Geschichten.

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Alles für die Katz

Im Grindelviertel, hinter der Hamburger Uni, liegt versteckt eine beliebte Kneipe.
Dort findet man gutes Bier und deutsches Essen zu moderaten Preisen. Der Wirt ist mal freundlich, mal brummt er und schaut dabei gebeugt über die Ränder seiner Lesebrille.
„Iss das klar hier,“ ist einer seiner Lieblingssprüche und man hört genau, er kommt schon immer aus Hamburg. Obwohl die Kneipe eher eine Kneipe für Normalos ist, hat sich dort ein Treff für Leute aus der Zeitungsbranche entwickelt, was einmal der Medienstadt geschuldet ist, zum anderen der Struktur des kleinbürgerlichen Viertels.
Hier treffen Drucker auf Spiegeljournalisten und Brigitteredakteurinnen auf Schriftsteller.
H. fährt mit seinem Fahrrad vor und springt in die Kneipe. Er sieht den Baron, den alle nur den Baron nennen, obwohl er Dieter heißt und Drucker ist, setzt sich zu ihm, und schon kommt sein Tennispartner herein, Redaktionsleiter einer großen Zeitung.
Man kann an seinen Mundwinkeln erkennen, dass seine Laune wieder nicht die beste ist.
H. ordert ein zweites Köpi, der Baron trinkt Whisky, pur.
H. und der Baron sind seit langem mit dem Problem vertraut, mit dem sich der Ressortleiter in letzter Zeit immer häufiger quält. Das Problem besteht im Besitz von zwei Katzen, einer grauen und einer schwarzen, mit denen er in einer 220 qm großen Dachwohnung zusammen lebt. Die Scheidung von seiner Frau lag schon drei Jahre zurück. Beide Katzen stammten noch aus der gemeinsamen Beziehung, sie hatten fünf, drei musste er zurück lassen. Von der schwarzen und der grauen wollte sich der Ressortleiter „nie und nimmer“, wie er betonte, trennen. Da er auf Grund seines Berufes jedoch beweglich sein musste und öfters für mehrere Tage verreiste, wusste er nicht, wie er seine Katzen optimal versorgen konnte. Meist fand er Freunde, die in seiner Abwesenheit in seine Wohnung kamen und sich um die Tiere kümmerten, einen Besuch am Morgen und einen Besuch am Abend.
Die Geschäftsreisen des Spiegelmannes nahmen zu. Er musste seine Tiere Freunden und Bekannten erneut anvertrauen. Manchmal spielten die beiden Katzen nicht mit, immer häufiger jedoch verweigerten sich die Freunde. Die beiden Katzen Freunden in deren Wohnungen zu überlassen, stellte sich als nicht praktikabel heraus. Der Gewöhnungseffekt an die fremde Wohnung war zu kurz. Nicht nur Gardinen wurden zerrissen, Sofas und Sitzkissen zerstört, Möbel zerkratzt. Nach einer Kurzreise verlangte ein befreundetes Ehepaar Schadensersatz. Die beiden Katzen hatten sich über die gesamte Zeit der Abwesenheit des Ressortleiters ihre Wohnung als Gesamtklo ausgesucht und in aller „Seelenruhe“, wie das Paar berichtete, gepisst und geschissen wie und wo sie wollten.
Der Gestank in der Wohnung soll bestialisch gewesen sein und die Nachbarn alamierten auf Grund des lauten Gejaules beider Katzen die Polizei.
Eine Katzenlösung musste her und der Ressortleiter fragt in diesem Augenblick H. und den Baron um einen Rat.

H. den die Liebe des Ressortleiters zu seinen beiden Katzen schon seit einiger Zeit „auf den Keks ging, aber so was auf den Keks“, wie er überall beteuerte, H. ergriff die Initiative.
„Jetzt ist Schluss, jetzt ist für alle Male und für immer Schluss.“
H. blickte den Ressortleiter an, machte eine kleine Pause und fuhr fort.
„Wir verfassen jetzt ein Dokument. Hier ist ein Stück Papier. Darauf schreibe ich
folgende Zeilen, und der Baron, ich und du unterschreiben, ist das klar?
1. Ich, Name, Adresse unterschreibe, dass ich.
2. Damit einverstanden bin, dass der Baron, meine beiden Katzen, die Graue und den Schwarzen, im Auto vom Baron, nach Westrauderfehn in Ostfriesland fährt und die beiden Katzen
3. Bei Bauer Detlef Becker abgibt und dafür 500 Euro erhält.
4. Die beiden Katzen bleiben bis zu ihrem Tod bei Bauer Becker, der dafür 5000 Euro erhält.
5. Ich, H. erhalte für Idee und Vertragsabschluß 1000 Euro.

Unterschrift, Datum, Name.

Der Ressortleiter schaut erst H. an, dann den Baron. Dann stiert er schweigend eine Minute in sein Bierglas, dreht dieses mit der rechten Hand hin und her und sagt endlich.
„Das muss wohl denn sein. Ich unterschreibe und ihr werdet aktiv.“
„Das ist die beste Lösung, wirklich,“ erwidert der Baron, haut dem Ressortleiter auf die Schulter und beglückwünscht ihn zu seinem Entschluss.
„Das ist nicht nur die beste Lösung, sondern auch die preisgünstigste, „
meint H. und setzt seinen Namen unter das Dokument.
„Wir nehmen nur Cash, das iss ja wohl klar.“
Der Ressortleiter steht auf, geht aus der Kneipe, holt 6500 Euro und übergibt sie H. und dem Baron, indem er hundertdreißig 50 Euro Scheine auf den Kneipentisch blättert.
Am nächsten Tag fährt der Baron die Graue und den Schwarzen nach Westrauderfehn.
Die Graue sieht Bauer Becker, bleibt eine Sekunde stehen, ihr Körper wölbt sich zu einem Bogen, dann läuft sie in hoher Geschwindigkeit im ZickZack über den Hof und verschwindet auf nimmer Wiedersehen.
Der Schwarze wird schon in der ersten Nacht kränklich, hustet, spuckt, dreht sich auf der Stelle im Kreis und frisst nichts mehr.
Er stirbt drei Tage später.
H. und der Baron sind bei der Beerdigung des Schwarzen auf dem Hof von Detlef Becker dabei.
Der anschließende Leichenschmaus zieht sich noch bis tief in den nächsten Morgen.

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