vonErnst Volland 12.11.2014

Vollands Blog

Normalerweise zeichnet, schneidet, klebt Ernst Volland, oder macht Bücher. Hier erzählt er Geschichten.

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Als der IC den Bahnhof von Hannover erreicht, sind wir bereits fünf Stunden unterwegs. Der Zug benötigt für die Strecke von Berlin nach Hannover an normalen Tagen knapp zwei Stunden. Die Klimaanlage ist ausgefallen, draußen scheint die Sonne. Ich sitze fast allein im im kleinen Speisewagen des Zuges, der die ganze Strecke nicht bedient wurde. Durst.
Die blauen Holzfenster der Büffettheke klappen auf und ein freundlicher, junger Mann schaut aus der Luke. Im Nu füllt sich der Raum, die Schlange reicht an mir vorbei bis in den nächsten Waggon. Endlich eine Erfrischung. Zuerst jedoch eine weitere Überraschung. Eine schwache Lautsprecherstimme verkündet den wartenden Gästen, dass der Zug noch eine weitere Stunde im Bahnhof verbleibt. Es wird ein Lokomotivenaustausch vorgenommen, die jetzige hat einen Defekt.
Am Abend habe ich einen Vortrag zu halten und noch drei Stunden reine Wegzeit vor mir. Die Ankunft steht in den Sternen. Endlich hat sich die Reihe vor der Getränkeausgabe aufgelöst und die Leute verteilen sich auf den Sitzen oder stehen in Gruppen und plaudern. Das Thema allseits ist die Verspätung und, wie kommt man an seinen Zielort.
Jetzt stehe ich auf, um mir ein Getränk zu holen.
„Wäre ein Freibier wegen der enormen Verspätung möglich, frage ich den DB Mann in seiner knappen, gestreiften Weste und seinen gegeelten, schwarz glänzenden Haaren
„Wie bitte?“
„Ein Freibier wäre jetzt eine schöne Geste von der Bahn.“
„Das kann ich nicht entscheiden. 4.50 für das Weizen bitte.“
„Ich weiß, dass Ihr Chef, Herr Grube, im Monat 120 000 Euro verdient. Jeden Monat. Das sind 4000 Euro am Tag.“
„Sie sprechen von unserem Chef, Herrn Grube?“
„Ja sicher, ich spreche von Herrn Grube. Der verdient dreimal mehr am Tag
als Sie in einem ganzen Monat. Noch anders ausgedrückt. Wenn er 12 Stunden am Tag arbeitet, dann verdient er in vier Stunden so viel, wie Sie ein einem ganzen Monat verdienen.“
„Grube finde ich gut. Der war mal hier im Zug. Ich durfte ihm die Hand schütteln.“

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kommentare

  • Ich habe in Erinnerung, wie Sie sich massig Pralinen kostenlos zuschicken ließen und das dann bei einer Lesung in der Rudi-Dutschke-Straße als Kunstaktion erzählten. Irgendwie muss mensch ja durchs Leben kommen … Bestimmt gehören sie zu den Menschen, die auch in Einkaufsmärkten bessere Preise heraushandeln. Sie sind bis auf Weiteres mein Vorbild in Sachen Verhandlungstechniken.

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