vonErnst Volland 11.06.2016

Vollands Blog

Normalerweise zeichnet, schneidet, klebt Ernst Volland, oder macht Bücher. Hier erzählt er Geschichten.

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Auf der Suche nach Essen und Trinken.

Teuer

Die M 2 fährt bis an den Alexanderplatz. Zur Buslinie 248 sind es fast fünf Minuten. Wenn ich Zeit beim Umsteigen von der Straßenbahn in den Bus habe, gehe ich gelegentlich in eine italienische Eisbar, halb Bar, halb Café, direkt an der Haltestelle, um einen Espresso zu trinken. Er kostete immer 2 Euro, doch kürzlich hat der Mann hinter dem Tresen die Preise erhöht. Der Espresso kostet jetzt 2 Euro 30. Der Espresso ist sehr gut und als ich den ersten dort im Stehen getrunken hatte, serviert mit einem Glas Wasser und einem kleinen Keks, einem Ammarettini, drückte ich meine Freude über die Qualität des Espresso spontan durch ein Kompliment aus.
„Wirklich ausgezeichnet ihr Espresso.“
„Vielen Dank.“
Sind Sie Italiener?“
„Nein Türke. Alle denken ich bin Italiener.“
An dem Tag, als der Preis auf 2 Euro 30 verändert wurde, äußerte ich mein Missfallen.
„Der Espresso ist durchgehend sehr gut bei Ihnen, aber der Preis von 2 Euro 30 ist ein wenig zu hoch.“
„OK, für Sie weiterhin 2 Euro.“
Bei einen nächsten Zwischenstopp bediente eine andere Person die Gäste. Ich verzichtete auf den Espresso. Doch dann erblickte ich den mir vertrauten Barista wieder durch die Glasscheiben des Cafés, stellte mich seitlich an meinen Stammplatz und bestellte einen Espresso. Inzwischen trinke ich den Espresso nur, wenn ich den Barista entdecke. Ich komme in das Café, stelle mich links außen an den Tresen, der Barista lächelt und ohne Bestellung kommt automatisch das Gedeck. Die heiße Espressotasse, ein Glas Wasser, Zucker im Glas, Ammarettini. Ich lege zwei Euro auf die polierte silbrige Tresenfläche und schütte Zucker auf die cremige Schicht des Espresso. Die bräunliche Crema zieht sich etwa einen halben Zentimeter an der Innenwand der Tasse hoch. Perfekt. Der Zucker bleibt einen Moment liegen und sackt dann auf den Boden der Tasse. Ein erster Beweis für einen richtig gut gemachten Espresso.
Gestern, nach einem unfreundlichen Abend, dachte ich den Abend zu vergessen, wenn ich einen Espresso trinke. Ich traue dem Getränk heilende Wirkungen zu, jedenfalls was Stimmungen betrifft. Ein völlig neues Gesicht steht hinter dem Tresen, egal, ich bestelle. Das klassische Gedeck wird serviert, mein Blick fällt auf die handgeschriebene Zahl 2 Euro 30 und schon denke ich wieder, ein stolzer Preis für ein so kleines Getränk. Doch der Espresso hat auch beim neuen Barista gute Qualität und ich entschließe mich, sogar 20 Cent Trinkgeld oben drauf zu legen, zwar etwas widerwillig, lasse es mir jedoch nicht anmerken.
„Wirklich gut ihr Espresso.“
„Grazie Signore, grazie, arrividerci.“
Mein Weg führt mich aus der Tür des Cafés in Richtung Bus 248. Die Sonne knallt auf die viereckigen Pflastersteine des Alexanderplatzes. Was blitzt dort in der Ritze zwischen zwei Pflastersteinen, ein Geldstück? Ich bücke mich. Es ist ein 20 Cent Stück.
Das Trinkgeld habe ich wieder zurück.

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