vonWolfgang Koch 04.12.2006

Wolfgang Kochs Wienblog

Vom letzten Glanz der Märchenstadt oder wie es sich an der blauen Donau gerade lebt.

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Dem Bundesprecher der österreichischen Grünen, Prof. Alexander Van der Bellen, eilt der Ruf voraus, ein besonders sprachmächtiger Politiker zu sein. Wie ist das wirklich?

Van der Bellens »arschknapp«-Prophezeihung des letzten Wahlausgangs ist bis zur Duden-Redaktion vorgedrungen. Doch bei genauer Betrachtung wandelt der populäre Politiker auf einem sehr schmalen Grad. Sicher, Van der Bellen gerierte sich im Herbst 2006 sprachkreativ wie kein Grüner vor ihm. Auf die Interviewfrage »Wie fahren Sie Auto?« antwortete er zielsicher: »Zurückhaltend, obwohl: Alfa.«

Aber sehen wir weiter. Nationalratswahlkampf 2006 hiess nicht nur für die Grüne Spitzendame Eva Glawischnigg: »Hose runter!« Auch der Professor menschelte, was das Zeug hielt. Wir erfuhren, dass er vom Sternzeichen Steinbock ist und seine grösste Freude vier Mischlingshunde mit den Namen Max, Maurice, Chico und Kita sind.

In der heissen Phase liess sich Van der Bellen sogar zu einem Schuss Patriotismus hinreissen. »Den will ich sehen, der mir vorwirft, kein guter Österreicher zu sein. Dem möchte ich nicht im Dunklen begegnen«, wurde er richtig bedrohlich.

Da der Mann über Comic habilitiert hat, stellte er sein Team schon beim Wahlkampfauftakt als »kleines gallisches Dorf« im Widerstand dar. Nein, seine wackeren Obelixe in den grün gestreiften Hosen würden nie in die rückwärts gewandte Politik einsteigen. Römer waren in diesem Bild selbstredend immer die anderen, und sie waren vor allem eins: saudumm. Die ÖVP [Österreichische Volkspartei] erzeuge Seifenblasen, baue Potemkinsche Dörfer, sie beherrsche »Machtkompetenz aus dem ff«, man selbst trübe nicht das geringste Wässerchen.

Frage: Warum waren die Regierungsverhandlungen 2002 mit der ÖVP gescheitert? – »Weil sie uns zugemutet hat, das ganze Gesicht zu verlieren, während sie nicht einmal ein Wimmel auf der Backe gehabt hätte.« – Sicher: Schmunzel, Schmunzel! Aber nicht alles ist auch Humor, was ein Lacher ist.

SUPERLATIV

Wahlkampf in Österreich, das heissst viel Bildersalat servieren, nimm hier zwei Blätter, füge dort die Worte »Diskussionskultur« und »Negativ-Campaigning« hinzu, fertig. Das klingt dann zum Beispiel so: »ÖVP und SPÖ treiben durch diesen Stil der verbrannten Erde die Politikverdrossenheit in der Bevölkerung auf die Spitze.«

Klingt g’scheit, heisst nix! Quacksprech aus dem Wahrheitsministerium. Denn erstens gibt es keine Politik-, sondern nur eine PolitikerInnenverdrossenheit. Zweitens ist die Strategie der verbrannten Erde ist eine Operation, um die Rückendeckung des Gegners zu zerstören. Auch das Bild des »auf die Spitze«-Treibens stammt aus dem Krieg, von der Lanze nämlich. Zusammen ergibt das alles keinen Sinn.

Van der Bellen ist ein Virtuose der sprachlichen Steigerung, ständig ragt etwas steil nach oben. »Mehr als lächerlich« kam ihm die Distanzierung des Kanzlers von Jörg Haiders »Kärnten wird einsprachig«-Slogan vor. Der freiheitlichen Bruderkrieg, so Van der Bellen, führe dazu, dass sich BZÖ und FPÖ sich gegenseitig zu überbieten versuchen, »wer rechtser und ausländerfeindlicher ist«

Aber Hallo! »Rechtser und ausländerfeindlicher«? Was heisst das nun wieder? Nach dieser Logik stünden beispielsweise die Parteikolleginnen Monika Vana linkser und Eva Glawischnigg rechtser als der Bundessprecher, Peter Pilz aber gewiss am linkesten, soweit links es eben nur geht. Herr Petrovic ist gewiss ausländerfreundlicher als, sagen wir, Frau Petrovic, obwohl die auch nicht ohne ist. Zu der ausländerfreundlichsten Grünen aber wählen wir, Applaus und Siegerehrung: Terezija Stoisits. Die ist so ausländerfreundlichst, dass es schon wieder weh tut.

Die Aussage von Innenministerin Liese Prokop (ÖVP), dass 400.000 Ausländer in Austria nicht integrationswillig seien, brachten Van der Bellen dazu zu schwören, er gehöre zu der »ganz berüchtigten Gruppe« der Immigranten zweiter Generation – und er fange nun langsam an, sich als »ausgesprochen integrationsunwillig zu betrachten, nämlich in das Menschen- und Gesellschaftsbild der ÖVP«. – Nun, das war vielleicht ein bischen narzisstisch, aber gewiss auch ausländerfreundlicher als je!

TV-DUELLE

»Widerwärtigkeit und Lächerlichkeit« warf Van der Bellen im TV-Duell dem FPÖ-Obmann vor. Heinz-Christian Strache betreibe systematische Verhetzung. Der soziale Friede im Land sei durch Leute wie ihn gefährdet.

Hätte Strache das tatsächlich getan, hätte es keinen Politiker mehr gebraucht, der seinen Abscheu ausdrückt, sondern staatliches Einschreiten. Wäre der Tatbestand der Verhetzung wirklich erfüllt gewesen, wären jetzt Exekutive und Justiz am Zug. Das verbale Versprühen der Ekel-Metaphorik signalisierte bloss wieder intellektuelle Herablassung. Der Herr Professor, dachte man, kotzt sich gleich an beim Niveau seiner Gegner.

Am 20. September traf Van der Bellen in einer TV-Konfrontation auf den orangen Beezebub Peter Westentaler, der meinte. »Hinter Ihrem freundlichen schrulligen Professorenlächeln, da stehen die ganzen Linksextremen«. Van der Bellen gereizt: »Den Dreck will ich wirklich nicht haben«. Und später, als Westthaler gegen Grüne Lehrer polemisierte: »Das ist eine Schweinerei!«

Van der Bellens wütender Vorwurf den Kontrahenten »Wollen Sie ihren Rede-Durchfall vielleicht einmal stoppen!« war ohne Frage komisch wie Borat in den US&A, aber sozial kommunizierte er damit nur, dass er keine Lust hatte sich mit dem Abschaum abzugeben.

SCHLAMMSCHLACHT

Van der Bellen sah sich im Wahlkampf 2006 ständig von »schwarz-roten Schlammschlachten« und »blauen Bruderkämpfen« umgeben. Er forderte die Konkurrenten auf, Lügenvorwürfe und gegenseitigen Unterstellungen einzustellen, sie würden »zehntausende WählerInnen von den Wahlurnen« vertreiben.

Sicher, das inkriminierte Wort »Krebszelle« hatte im Wahlkampf nichts verloren. Doch Van der Bellen schrie: »Drehen die jetzt alle durch? Sind jetzt alle hysterisch geworden? Sind beide (SPÖ und ÖVP) von allen guten Geistern verlassen?”

Die Vertreibung »zehntausende WählerInnen von den Wahlurnen«, bitteschön, die wäre ein klarer Fall für den UN-Sicherheitsrat. Da stünden morgen humantitäre Intenventionskräfte des Auslands in Österreich.

© Wolfgang Koch 2006
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