vonWolfgang Koch 21.12.2006

Wolfgang Kochs Wienblog

Vom letzten Glanz der Märchenstadt oder wie es sich an der blauen Donau gerade lebt.

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Es sollte eine einmalige »Gesamtschau der Kulturen« werden – und die Haupthalle, die Rotunde mit einer Kuppelspannweite von 102 Meter, das »achte Weltwunder«. Doch statt der erwarteten zwanzig Millionen Besucher kamen in den sechs Ausstellungsmonaten des Jahres 1873 nur 7,2 Millionen zur fünften Weltausstellung nach Wien, um das Kunstgewerbe der Ringstrassenzeit und die neuen Maschinen des industiellen Fortschritts zu sehen.

Der Misserfolg des Projekts, mit dem die Monarchie Anschluss an die pulsierenden Städte Paris und London suchte, hatte zwei dramatische Ursachen: den Börsenkrach nur acht Tage nach der Eröffnung der Schau (Hunderte Spekulanten verübten Selbstmord), und eine Choleraepedemie in der Region mit tausenden Toten.

Mit Brösenchrash und Epedemie zahlte das »Babel des Ostens« – wie der Schriftsteller Karl Landsteiner schrieb – den Lohn für seine Schwelgerei, seinen Luxus, seinen Hochmut. Denn das Wien der Weltausstellung war ein gewaltiges Fegefeuer der Eitelkeiten, es war die Glanzzeit der Walzer- und Operettenseligkeit, populärer Männergesangsvereine und rauschender Galadiners, es war das Wien der Makart-Umzüge und der liberalen Hochstapler, die sich unter funkelnden Lobmeyer-Kristalllustern und üppig aufgequollenen Stukkaturen wie der Adel zelebierten.

Alles schien amüsant in diesem Jahr 1873! Gschnasfeste überall, die Rotunde und die Pavillons waren abends elektrisch beleuchtet. Die Katastrophe kündigte sich nur in kleinen Hopplas und Pannen an.

1. Am 1. Mai versammelten sich 12.000 Gäste zur Eröffnung. Der
»mächtigsten Dom der Erde« war allerdings noch nicht fertig gebaut. Dieser Mangel wurde durch Palmen, Kamelien und einen Fahnenwald verborgen.

2. Viele Ausstellungsobjekte trafen erst nach Wochen und Monaten ein. Entsprechend unvollständig war der dem Allerhöchsten Kaiser Franz Joseph feierlich überreichte Ausstellungskatalog.

2. Auch das Wetter spielte bei der Eröffnung nicht mit. Die zahlreichen Damen unter den Ehrengästen wagten der Kälte wegen Mäntel und Schals nicht abzulegen. Ihre Frühjahrstoiletten blieben ungesehen.

4. Sieben Jahre zuvor hatten die Preussen die Österreicher noch über den Haufen geschossen. Nun führte der Kaiser die deutsche Kronprinzession Viktoria als höchsten Gast am Arm – in blauem Kleid, weissem Mantel und rosa Hut sehr unvorteilhaft gekleidet.

5. Franz Joseph erklärte das Spektakel für eröffnet. Daraufhin hätte draussen eine Geschützsalve losdonnern sollen. Allein, der auf der Galerie postierte Mann übersah das entsprechende Zeichen für die Batterie.

6. Beim Besuch der Abteilung des Deutschen Reiches blieb Viktoria mit der Schleppe an einem Nagel hängen. Alle Versuche Erzherzogs Carl Ludwigs, sie zu befreien, misslangen, die Stossschnur musste mit Gewalt abgerissen werden.

7. Im dänischen Pavillon schritten die BesucherInnen durch die grandiosen Skulpturen Bartel Thorwaldsens hindurch direkt auf eine Schau dänischer Heringe und Stockfische zu.

8. Als Prinzession Viktoria verspätet in der österrreichischischen Abteilung des Industriepalastes eintraf, war die Kapelle, die in diesem Moment die Volkshymne spielen sollte, bereits nach Hause gegangen.

9. Japan wollten einen 15 Meter hoher Buddha aus Kamakura, den Daibutsu, als Nachbildung zeigen. Die kolossale Figur aus Pappmaché fing beim Auspacken Feuer. Nur der gerettete Kopf konnte gezeigt werden.

10. Die Vereinigten Staaten von Amerika hatten in der Abteilung Nordamerika ein Indianerwigwam errichtet. Darin servierten sinniger Weise Schwarze amerikanische Drinks.

11. Als grösste Attraktion galt der Besuch des Schah-in-Schah von Persien. 40.000 Gaffer strömten eigens an dem Tag herbei. Nasr-ed-Din, der König der Könige, der Liebling der Sonne, erschien mit haselnussgrossen Smaragden am Rock und tapste genüsslich die Busen der nackten Mamorschönheiten Italiens ab.

© Wolfgang Koch 2006
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