vonWolfgang Koch 19.02.2007

Wolfgang Kochs Wienblog

Vom letzten Glanz der Märchenstadt oder wie es sich an der blauen Donau gerade lebt.

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Der barocke Habsburgerhof war vernarrt in den antiken Halbgott Herkules. Wie in Paris, Potsdam oder St. Petersburg verehrte man den starken Mann der griechischen Mythologie als ein Art Schutzheiligen der dynastischen Macht. Ewig sollte der Harnisch der eigenen Herrschaft währen, oder, wie es Kaiser Joseph I in seinem Wahlspruch zu sagen wusste: »Amore et Timore – Durch Liebe und Furcht«.

Die gefährlichen Abenteuer des Herkules – über Jahrhunderte mussten sie in den ersten Häusern Europas zur spektakulären Darstellung der Tugenden des guten und vorbildlichen Fürsten herhalten. Kaum etwas verlieh dem Absolutismus eine kräftigere Stimme als der prächtige Muskelkörper dieses Helden.

Im Inneren Burghof zu Wien prangen heute noch vier monumentale Skulpturengruppen von Lorenzo Matielli. Sie entstanden in den Jahren 1727/29. Der Bildhauer Matielli war auch es, der den dramatischen Engelsturz in der nahen Michaelerkirche gestaltet hat.

Matelli wirkte für den Habsburger-Clan und für Fürst Schwarzenberg. Er hat in Wien ein umfangreiches Werk geschaffen, bevor er 1737 angewidert und verdrossen nach Dresden weiterzog. Der Star-Künstler war nämlich in einem Wettbewerb zur Verschönerung des Hohen Marktes gegen den Konkurrenten Raphael Donner unterlegen.

Zurück zu Herkules im Inneren Burghof: Der ringt vor dem sogenannten Hofkanzleitrakt gleich vier Mal mit Ungeheuern und famosen Riesen. Vier Mal siegt das Gute über das Böse! Ganz im Norden des Hofes kämpft Herkules gegen den nemeischen Löwen. Daneben gegen den kretischen Stier (1. und die 7. Heldentat des Herkules).

Eine Skulpurengruppe im Osten des Hofes zeigt den Heroen im Konflikt mit dem ägyptischen König Bursiris. Eine schauerliche Geschichte! König Bursiris, ein Sohn des Poseidon, soll alle Fremden, die in sein Reich gereist sind, auf dem Opferaltar getötet haben. Erst Herkules machte kurzen Prozess mit dem Xenophobiker.

Links von dieser Gruppe: »Herkules und Antaios« – der Kampf mit einem Riesen in Libyen. Antaios war ein Sohn des Poseidon und der Göttin Gaia.

Dieses letzten Kampfpaar ist mythologisch anders zu deuten als die anderen. Im Kampf mit den Ungeheuern siegt der kraftgenialischer Naturbursche ja stets aufgrund seiner beeindruckenden physischen Überlegenheit. Und so sahen sich die habsburgischen Imperatoren auch am liebsten: Mit überlegener Waffengewalt wird jeder Gegner (ob Türke oder Protestant, Schwede oder Ungar, Preusse oder Serbe) schonungslos niedergemacht.

Aufschneiderisch und prahlerisch meinte der Wiener Hof, die eigene irdische Präsenz allein beherrsche alles Monstöse und Destruktive der Welt. Dem Halbhott Herkulses gleich sahen sich Erzherzöge, Könige und Kaiser Altösterreichs zu jenen Kraftakten prädestiniert, die schliesslich in den Ersten Weltkrieg mit seinen zehn Millionen Toten münden mussten.

Herkules und Antaios aber versinnbildlichen etwas anderes. Man erkennt darin eine Bedeutungsverschiebung der repräsentierten Macht. – Dieses Paar nämlich zeigt ein anderes Kraft-Ideal. Über den Riesen Antaios siegt Herkules weniger mit dem Körper als mit dem
dem Kopf! Der antike Held muss mitten im Ringen feststellen, dass sein Gegner endlos neue Kräfte bezieht – und zwar so lange er seine Mutter, die Erde, berührt.

Was tun? Herkules umfasst den Kerl mit beiden Händen, hebt ihn in die Luft und drückt ihn zu Tode.

Der Herkuleskult ist zu neunzig Prozent ein Kult der rohen Gewalt. Das stimmt schon! Der Sieg über den bis dahin unbezwingbaren Antaios aber soll besagen, dass auch der strahlendste Kämpfer nichts taugt, wenn er keinen Grips im Schädel hat. – Was nützt dir das dickste Muskelpaket, wenn du ein Strohkopf bist?

Herkules gegen Antaios – ein neuer Showeffekt der Macht! Die Monarchen präsentierten sich physisch und kognitiv unbesiegbar vor den Augen die Untertanen. Kein Wunder, dass ein Bildhauer in diesem Reich das 380fache Jahressalär eines Saaldieners verdienen konnte.

© Wolfgang Koch 2007
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