vonWolfgang Koch 19.03.2007

Wolfgang Kochs Wienblog

Vom letzten Glanz der Märchenstadt oder wie es sich an der blauen Donau gerade lebt.

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Ich habe gesagt: Rassismus kommt in Wien nie geradlinig daher. Es war bereits 1993 beschämend zu sehen, wie der sozialdemokratische Bezirksvorsteher mit dem Zeigestab in der Hand das Schimpfkonzert der Erwachsenen dirigierte. Von »Gschroppn« und »Drecksproletariat« war die Rede, und ist es heute noch, wenn man die SP-Basis reden lässt, wie ihr der Schnabel gewachsen ist. Es fielen damals Sätze wie dieser: »Unsre Ausländer vermehren sich wie die Kaninchen!«

Der amtstragende Sozialdemokrat bedankte sich artig für solche Hasstiraden auf der BürgerInnenversammlung und gab das Wort artig an den nächsten Redner weiter, um die Gaudi noch anzuheizen. Auf die Frage, warum es viel zu viele Ausländer im Fasanviertel gäbe, erklärt Erich Hohenberger wörtlich:

»Mir sind bei die Ausländer leider vollkommen die Hände gebunden. Ich kann nichts dagegen tun, dass Hauseigentümer an Ausländer vermieten. Und daran wird leider auch das neue Mietgesetz nichts ändern«.

Man könne, fuhr Hohenberger auf der Bürgerversammlung 1993 fort, sich von den Hohen Herren – dem Bürgermeister und dem Innenminister – keine Hilfe erwarten. Es sei auch sinnlos sich an die Polizei zu wenden.

In einer Tour tröpfelte dieser Bezirkspatriarch Öl ins Feuer des Fremdenhasses, während sein Parteivorsitzender im Fernsehen mit ernstem Gesichter mehr Toleranz einforderte.

Warum tat eigentlich alle Welt so überrascht, als eines Tages in den Neunzigern Bomben im Briefkasten lagen, als Ausländerwohnheime und Moscheen brannten? Weil damals niemand sehen wollte, wie Zentimeter für Zentimeter der Nährboden für die Gewalttätigkeit bereitet wurde.

Am 20. Jänner 1994 hielt ein blauer Kleinstransporter in der Fasangasse. Binnen kurzem hatten drei Magstriatsbedienste, die ihm entstiegen, sechs rechteckige, blauweisse Verkehrsschilder samt Verankerung aus dem betonumfriedeten Erdreich gelöst und auf die Ladefläche geworfen. Schliesslich entfernten sie am Gehsteig zur Gerlgasse noch einen grünen Poller und ersetzten ihn durch ein fabriksneues Einbahnschild.

In drei Stunden war die Sache erledigt. Wien hatte eine Wohnstrasse weniger.

Wie, frage ich mich seit damals, ist es möglich, dass immer wieder eine lautstarke, egoistische Gruppe von Bürgern gemeinsam mit einem populistischen Bezirkskaiser einfach eine verkehrsgesetzliche Regelung aufheben kann? Was hat Stimmungsmache mit Demokratie und Bürgerbeteiligung zu tun?

Bevor man Demokratie so grosssprecherisch im Mund führt, wie das unsere Grätzelpatriarchen tun, sollten man zuerst einmal begreifen, was Demokratie ist: Demokratie heisst Teilen. Demokratie heisst, dass die Strasse weder den Autofahrern, noch den Kindern, noch den Erwachsenen gehört – sondern allen gemeinsam.

Ein echter Demokrat hätte auch die Kinder und Jugendlichen gefragt, ob sie den Durchszugsverkehr wieder haben wollen; diese Kinder sind schliesslich die Wähler von morgen. Ein Demokrat hätte auch die Eltern, die ihre Kinder durch die Wohnstrasse zur Schule schicken, gefragt, ob sie auf das bisschen Verkehrssicherheit verzichten wollen. Er hätte selbst die in winzigen Wohnungen hausenden Zuwanderer gefragt, die sich verständlichweise nicht zur Bürgerversammlung gewagt, weil sie sich auf einem einzigen Finger – dem nach unten zeigenden Daumen – ausrechnen konnten, was sie dort erwartet.

Das also ist Wien, die Stadt der Kultur und der Musik. Eine Häuseransammlung, deren PolitikerInnen keine Gelegenheit verabsäumen, die Weltoffenheit ihrer Wählerschaft in den Himmel zu loben. Das ist der Ort, in dem die »freundlichen Wiener« von den Plakatwänden auf Strassen herunterlächeln und nichts als das gold’ne Wienerherz regiert.

© Wolfgang Koch 2007
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