vonWolfgang Koch 02.04.2007

Wolfgang Kochs Wienblog

Vom letzten Glanz der Märchenstadt oder wie es sich an der blauen Donau gerade lebt.

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Der in Braunau am Inn geborene Adolf Hitler soll nicht länger Deutscher sein. Mehr als 60 Jahre nach seinem Tod ist beim deutschen Nachbarn eine politische Kontroverse um die Staatszugehörigkeit des verschollenen Führerleichnams ausgebrochen. Die niedersächsische SPD-Landtagsfraktion will dem einstigen Führer des Dritten Reiches die deutsche Staatsbürgerschaft entziehen.

Der Hintergrund: 1932 war der damals staatenlose Chef der NSDAP vom nationalsozialistisch dominierten Land Braunschweig zum Landesbeamten ernannt und offiziell eingebürgert worden. Die braune Massenbewegung konnte ja schlecht unter Führung eines Berufs- und Staatenlosen die Macht an sich reissen und eine Diktatur errichten.

Heute ist Niedersachsen Rechtsnachfolger Braunschweigs. Darum lässt jetzt die niedersächsische SPD die Möglichkeit eines posthumen Entzugs von Hitlers deutscher Staatsbürgerschaft prüfen.

Für die Republik Österreich ergibt sich daraus die peinliche Frage, ob Hitler in Zukunft als der berühmteste Österreicher aller Zeiten durch die Schulbücher geistern wird. Im Augenblick hält bekanntlich der Komponist Wolfgang Adamdeus Mozart diesen Rang inne – als geborener Salzburger übrigens völlig zu Unrecht, da das Fürsterzbistum Salzburg damals noch gar nicht zu Altösterreich gehörte.

Ein Aspekt sollte in der aktuellen Diskussion über Hitlers Staatszugehörigkeit jedenfalls keinesfalls untergehen: Das Thema, warum Hitler überhaupt staatenlos war.

Antifaschisten und Kriegsgegner wollen selten hören, dass der zackige Reichskanzler Adolf Hitler zunächst ein waschechter Wehrdienstverweigerer aus politischen Motiven war. Hitler galt bereits in seiner Wiener Zeit als rabiater Parteigänger der alldeutschen Ideologie. Der Bauhilfsarbeiter und Kunstmaler hielt die katholische Habsburgerdynastie für rettungslos verrottet. Wie vielen anderen Deutschtümlern war ihm der österreichische Kaiser zu wenig scharf gegenüber Slawen und Juden. Dieser mittellose Mann aus der Provinz, der keinen rechten Anschluss an die Wiener Gesellschaft fand, befürwortete einen harten Durchgriff gegen alles, was er für »dekadent« hielt.

Im Jänner 1914 verhaftetet dann ein deutscher Kriminalbeamter Hitler wegen Verletzung des Wehrdienstgesetzes eines verbündeten Staates in München. Im österreichisch-ungarischen Konsulat setzte der 23jährige Oberösterreicher einen Brief auf, in dem er als Grund dafür, dass er vor dem k.u.k. Wehrdienst desertiert ist, seinen Abscheu angabt, als »reiner Deutscher« in den vielrassigen Streitkräften Habsburgs zu dienen.

Am Ersten Weltkrieg nahm das spätere Staatsoberhaupt der Deutschen in der Uniform der bayerischen Armee teil. Die verhasste Staatsbürgerschaft der österreichischen Monarchie legte der spätere Hauptverantwortliche für den Massenmord an den europäischen Juden 1925 demonstrativ ab.

© Wolfgang Koch 2007
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