vonWolfgang Koch 12.04.2007

Wolfgang Kochs Wienblog

Vom letzten Glanz der Märchenstadt oder wie es sich an der blauen Donau gerade lebt.

Mehr über diesen Blog

Die 1848er-Revolution ging hierzulande für das Bürgertum verloren, wie an vielen anderen Orten Europas auch. Und die beiden Republiken sind ihrer Bürgern mehr durch das Glück zugefallen, als dass sie mit wehenden Fahnen auf Barrikaden erkämpft wurden. Das erlaubt die These, ein selbstbewusstes Bürgertum habe sich in Österreich eigentlich nie gegeben.

Betrachtet man unsere Zeitungslandschaft, muss man dem leider uneingeschränkt Recht geben. Was sich zum Beispiel Hietzinger Bürgertum nennt, hat heute einen Bentley in der Garage stehen und – als Zweitwagen – einen Hummer vor dem Gartenzaun. Man schlummert (trotz sozialdemokratischer Wahlerfolge) so friedlich und süss in der himmlichen Villa, dass die nächtlichen Einbrecher gar nicht gehört werden, wenn sie ein Fenster aufbohren, sich die Zündschlüssel schnappen und mit den Edelkarossen davonbrausen.

Das hat vor ein paar Monaten ein Unternehmer-Ehepaar in der Veitlingergasse erlebt, und ich verwette mein Zeilenhonorar, dass man in diesem gutbürgerlichen Haushalt zu Bentley und Hummer die Neue Kronenzeitung abonniert hat.

Ich sage: Ein frisches, freches und republikanisches Bürgertum konnte sich im Alpenstaat nie entwickelt! Das ging ganz einfach nicht, weil sämtliche Kandidaten für solche Ämter vorauseilend zum Kleinbürgertum übergelaufen sind.

Steht unter deutschen Intellektuellen das Feuilleton der F.A.Z. unter penibler Beobachtung, so ist es in Österreich seit Jahrzehnten das Boulevardblatt Krone. Von den politischen Traschkolumnen auf den ersten Seiten über die tägliche Nackedei bis hin zu den Leserbriefenspalten – das muss er kennen, der Herr Österreicher, und seine Gattin spechtelt ihm zufrieden über die Schulter.

Dabei gab es in der Mitte des 19. Jahrhunderts durchaus historische Anläufe zu einem bürgerlichen Charakter, der diesen Namen verdient. 1842 errichtete der Münchner Bildhauer Ludwig Schwanthaler in der Altstadt von Salzburg das erste Nationaldenkmal im Land: das Monument erinnert an Wolfgang Amadeus Mozart, dessen Mutter nur ein paar Schritte davon entfernt erstorben ist. Während der Tage der russischen Novemberrevolution 1905 demonstrierten dann 100.000 Menschen für das allgemeine Wahlrecht unter dem Salzburger Mozart-Denkmal.

An wem hat sich damals das Bürgertum aufgerichtet? An Mozart, an einen Mann, der sich – bedrängt durch künstlerische Enge und Unverständnis – die Gängelung durch den Erzbischof nicht mehr gefallen liess. Der salzburgmüde Komponist hatte den mutigen Schritt getan, als freier Musikunternehmer hinauszutreten in die Welt.

Mozarts Welt war von da an Wien. Hier, in Wien, war es auch, wo dann 1848 der Jude Adolf Fischhof spontan die erste politische Rede in Österreich hielt. »Wer an diesem Tag keinen Mut hat, der gehört in die Kinderstube«, rief der Sekundararzt mit den strahlenden blauen Augen einer aufgewühlten Menge im Hof des niederösterreichischen Landhauses zu. Fischhof setzte damit das erste Fanal gegen Metternich und den Hof.

Ein aufmüpfiger und genialischer Musicus und ein zufällig an einer Menschenanssammlung vorbeischlendernder Jude – damit ist das ganze Handikap des bürgerlichen Selbstbewusstseins in Österreich schon hinreichend beschrieben! Aussenseiter mussten die Hauptrollen tragen, an Aussenseitern versuchte sich der Stolz einer ganzen Klasse aufzurichten. Zu mehr hat es auch späterhin nie gereicht.

© Wolfgang Koch 2007
next: MO

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/wienblog/2007/04/12/was-ist-eigentlich-buergerlich-an-oesterreich/

aktuell auf taz.de

kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert