vonWolfgang Koch 27.05.2007

Wolfgang Kochs Wienblog

Vom letzten Glanz der Märchenstadt oder wie es sich an der blauen Donau gerade lebt.

Mehr über diesen Blog

Als »Europas grössten Aids-Charity-Event« promoteten die Veranstalter ihre Kostümparty im Wiener Rathaus, heuer bereits zum 15. Mal in Serie. Auf den Pressekonferenzen von Ball-Gründers Gerry KESZLER war viel von »Kampf für Toleranz und gegen die Krankheit« die Rede. Schelmisch behauptet er, dass dieser Kampf seit der Einfügung der Dreier-Kombinationstherapie gegen die Seuche »nicht mehr chic« sei.

Aber das war heisse Luft, war das Papier nicht wert, auf dem es dann gedruckt wurde! Denn Wien hat gar keine mondäneres Spektakel als eben diese exhibitionistische Show im Rathaus, zu der von internationalen Pornostars bis zum Dompfarrer Tausende alle eilig herbeieilen. Die schrille Massenparty mit opulenter Modeschau und Life-Acts, diesmal direkt übertragen im TV-Programm des ORF, übertrifft in den Unterschichten bei weitem das Interesse am konkurrenden Wiener Opernball, zu dessen Zampano man Keszler längst hätte machen sollen.

Aber der Operball ist eben der Staatsball – steif und offiziös, besucht von der besseren Gesellschaft der Titelträger und der Unternehmer; der Life Ball hingegen fungiert als Gegenveranstaltung der Hauptstadt, erfunden und protegiert von Leuten, die das gesellschaftliche Leben in einem einzigen drogenseligen Taumel verwandeln wollen und die Faschingssaison am liebsten auf das ganze Jahr ausdehnen würden.

Dass der Life Ball die Charity-Maschinerie ist, für die er sich ausgibt, halte ich für unbewiesen. Die Anzahl von 36 Sponsoren besagt zunächst rein gar nichts, denn was hier gesponsert wird, sind die Flüge, Limousinen, Luxushotels und Sektgläschen der Prominenz aus Designern, Top-Models, Schauspielern und Musikern. Auf der Suche nach dem erwirtschafteten Glamourgeld stiess die Stadtzeitung Falter gerade mal auf Mitarbeiter von HIVmobil der Wiener Aidshilfe, die im letzten Jahr aus dem Gewinn von über einer Million 109.000 Euro für ihre Infrastruktur erhielten.

Dass der Life Ball gegen die »Diskriminierung von Minderheiten auftritt« ist ebenfalls eine verquere Behauptung. Denn das pornographische Menschenbild von Veranstaltern und Gästen ist deutlich geeignet die dumpfesten Vorurteile gegen Homosexuelle und SM-Anhänger zu zementieren. Im neuen Zeitalter der Hedonié, des oberflächlichen Genusses, stehen penetrant abgezirkelte VIP-Rituale, knutschende Menschen, nackte Popos und Brüste, Lack, Leder und Federboa eher für eine tiefe innere Einsamkeit als für unbeschwerte Freude und Spass.

Sagen wir so: Der Life Ball ist der massenmediale Kitsch des Milleniums. Der Life Ball ist die hysterische Performance eingebildeter und ängstlicher Lust. Aufregend daran ist nur, dass in den Damentoiletten unter den zwinkernden Augen der Polizei Kokain in rauhen Mengen für den guten Zweck geschnupft wird, während die Jagd auf den kleine Dealer im nächsten Park munter weitergeht.

Eine »Feier des Lebens«? – Na, dass ich nicht lache! Jede Orgie lebt von der moralischen Überschreitung, und die Überschreitung des Wiener Life Balls ist eben die von obszönstem Luxus im Angesicht des Elends.

© Wolfgang Koch 2007
next: DO

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/wienblog/2007/05/27/endlich-ist-der-life-ball-vorueber/

aktuell auf taz.de

kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert