vonWolfgang Koch 25.02.2008

Wolfgang Kochs Wienblog

Vom letzten Glanz der Märchenstadt oder wie es sich an der blauen Donau gerade lebt.

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Es gibt einen österreichischen Schriftsteller, den ich noch nie möchte: Fritz von HERZMANOVSKI-ORLANDO [1877-1954], und doch stelle ich mir bei gelegentlichen Begegnungen mit seinen Werken die Frage, ob dieser Kollege nicht für eine typische, spottbillige künstlerische Haltung im Land steht.

Der letzte Mensch, den ich in geschraubten Tönen von diesem Dichter schwärmen hörte, war ein rechtsextremer Theologieprofessor, der den St. Pöltener Weihbischof Kurt Krenn in Fragen der Teufelsaustreibung und der Schwulenehe beriet. Also eine wenig vertrauenswürdige Person, um meine Zuneigung zu diesem Dichter zu wecken

Nun schneite vor ein einigen Tagen eine PR-Meldung des Residenz Verlages ins Haus, in der bekannt gegeben wurde, dass ein »Klassikaner kakanischer Weltliteratur« zu einem der schönsten Buch 2007 Österreichs gekürt worden sei. Potzblitz!

Ein »Klassikaner kakanischer Weltliteratur«, der zu Lebzeiten des Dichters nie verlegt worden ist? Ist mir da was entgangen?

In die Hand genommen, entpuppte sich die angeblich bibliophile Einzelausgabe als schnurzsolides Buch: kein Schutzumschlag, kein Lesebändchen, ganz gewöhnliches Volumenpapier, um den Umfang etwas satter erscheinen zu lassen.

Lediglich die Farbwahl am Umschlag kann als gelungen bezeichnet werden: Rosa mit eingeprägter Serifenschrift in Silber, und darüber in fetten Versalbuchstaben: FHO.

Merke: In Österreich wird auf Teufel komm’ raus prämiert, was anderswo einfach als Standard ist; in Österreich werden Bücher in den Bücherhimmel gelobt, die keinen Millimeter aus der Bücherschwemme herausragen.

Fritz von Herzmanovsky-Orlando war ein Doppeltalent, er selbst hielt von seinem Schreiben wenig. In seiner Jugend ein Stotterer, begann er bald mit Buntstiften Alpträume aufzuzeichnen. Dass er diese Irrfahrten ins Land der Fantasien bald auch literarisch vornahm, das führte ihn – dem Zeitgeist entsprechend – zu einer antiaufklärerischen Position.

Was diese »Genie der Groteske« hinterlasen hat, strotzt nur so von Absurdität und Ironie, es quillt über von Herrenwitz und Kurortgesprächen. Wer also vermag an Herzmanovsky-Orlandos Vorliebe fürs Prunkvolle und Pompöse heute noch was zu finden?

Der Residenz Verlag. Der Residenz Verlag (»Wunderbar, sonderbar und endlich lieferbar!«) versucht sich an einer leserfreundlichen Werkausgabe in zehn Bänden. – Gut, Friedrich Torberg mag frühere Fassungen der Romane und Erzählungen arg vermurkst haben. Aber »zeistlos« ist an dieser Märcheninsel-Prosa rein gar nichts.

Welche Ironie man beissend findet, welchen Humor ätzend, das unterliegt bekanntlich persönlichen Geschmackspräferenzen. Dass FHO mit dem 1913 auf der Insel Brioni geschriebenen Roman den Untergang der Monarchie ohne verklärten Blick beschreibt, wie das die Herausgeberin behauptet, lässt sich nicht bestätigen.

Man kann diese Literatur sympathisch finden, weil darin noch verschwundene Dinge wie Expresszug oder Nesthäkchen vorkommen, man kann Herzmanovsky-Orlando nett finden, weil er in seiner Literatur von Zollexposituren, Wachstuchmänteln und »schneeweissen Knackwürsten« spricht. Nichts dagegen! Man kann Scoglio Pomo sogar sprachschöpferisch finden, weil darin z.B die »sonnaufgangsfrische Gotik« einen Rolle spielt oder der Autor die einmalige Mode des »Silberschleierhemdchen« erfunden hat.

Noch ein Plus: FHO imitierte in seiner verspielten und versponnenen Prosa gekonnt die Regiolekte der Monarchie. – Doch letztlich wirkt das alles immer, als wäre der Jean Giono ins Tintenfass des Münchner Mystagogen Alfred Schuler gefallen: glänzende Traumreiche mit Würstelfrühstück, versunkene Geisterschiffe und abertausend kakanische Marotten.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine heutige Generation, die mit Schreiambulanzen und mit Avataren aufwächst, diesen obskuren Assoziationsschwulst noch goutiert. Und Recht hat sie!

Jedes Kinderhotel übertrifft doch an Surrealität bei weitem diese ausgesuchten Abgründe des Unbewussten. FHO ein Orginalgenie? Feen und Elfen im Nebenpostamt? Hoijotohorufe beim Jausenkonzert? – Also da sind mir die unförmigen Gestalten aus der modernen Knetmasse lieber.

Fritz von Herzmanovsky-Orlando: Scolio Pomo oder Rout am Fliegenden Holländer. Hg. Klaralinde Ma-Kircher, Residenz 2007, 347 Seiten, ISBN- 13 978 37017 1469 8, EUR 24,90

© Wolfgang Koch 2008
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