vonWolfgang Koch 04.04.2009

Wolfgang Kochs Wienblog

Vom letzten Glanz der Märchenstadt oder wie es sich an der blauen Donau gerade lebt.

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Müssen denn Büchern aus der Provinz immer schon von weitem als solche erkennbar sein? Die Verzopftheit dieses sorglos redigierten Bändchens fängt schon bei der Umschlaggestaltung an: Titel und Gattungsbezeichnung in gleicher Schriftgrösse und in verkehrter Reihenfolge, und das alles dann auch noch zweisprachig Slowenisch-Deutsch. Würde uns da nicht ein geheimnisvolles Schwarzweiss-Foto ins Innere locken – es zeigt den glatzköpfigen Aktionskünstler Viktor Rogy auf den Stufen des Wiener Donner-Brunnens vor einem Knaben sitzend –, man hätte das schmale Bändchen nicht einmal aufgeschlagen.

Was wir in den Händen halten, ist die mittlerweile 8. Ausgabe des Literatur-Periodikums NOVINE aus der Edition Rapial edicija, erschienen in Klagenfurt am Wörtersee. Die deutsche Mehrheit in Kärnten-Koroška weigert sich bekanntlich, ein paar hundert topografischen Aufschriften zweisprachig zu gestalten – um so heftiger lehnen sich die dortigen Kulturschaffenden auf der Gegenseite über die Bordwand des Wörterseeschiffchens, und so übertreiben sie den kulturellen Austausch zwischen den Volksgruppen mitunter bis zur Unleserlichkeit.

Inhaltlich versammelt der Band unter dem Titel Die Rudner in Wien klassische Kurzprosa von Ivan Cankar, poetische und kritische Texte des Schriftstellers Janko Messner, weiters Hagiographisches über Janko Messner sowie einige vom Mitherausgeber und Übersetzer Jozej Strutz beigestreuerte Texte.

Die Übersetzungen lassen zu wünschen übrig. Auf Seite 19 geraten in einem Cankar-Text die Erzählzeiten wie in einer Sturmflut durcheinander. Die leckere österreichische Backware namens Topfengolatsche schreibt sich mit »g« und nicht mit »k«, weil der Teig ja sonst flach wie Katzenzungen wäre. Kanzler Wolfgang Schüssel bekommt unter verballhorntem Namen einen Urslowenen zu Gesicht.

Das ist kleinlich, gewiss, wo es den Herausgebern doch um die grosse und ernste Sache der Zweisprachigkeit geht. Aber die ungeschickte Gestaltung spiegelt in diesem Fall eben auch die Marginalität vieler der abgedruckten Texte wieder.

Was an dem schmalen Bändchen gefällt, das ist die hübsche Titelgeschichte. Sie handelt von sehr unebenen Leutchen, den Rudnern, Bauern- und Keuchlerkinder, aus dem Gebirge nach Wien verfrachtet, Urgestein, Findlinge der Industriezeit, verloren zwischen den Grauwänden grauer Häuser und dem Geschiebe der Geschichte. Die Rudner stammen aus der Gegend zwischen Griffen und Bleiburg. Als einige von ihnen einmal eine Zimmerparty in der Otto-Bauer-Gasse steigen lassen, da landet die ganze Kärntnerische Exilgemeinschaft geschlossen auf dem Polizeirevier. Warum? Weil diese Tölpel und Waldschratte die Blechverschlüsse ihrer Bierflaschen einfach beim Fenster hinaus geschippt haben. So etwas passt eben nicht zu den Gepflogenheiten der Menschen in der Hauptstadt.

Strutz versucht in seinen kurzen Erzählungen den alltagsmystischen Abstand zwischen Zentrum und Peripherie zu vermessen, und er stellt dabei das Sich-durchdringen dieser Gegensätze vollkommen in Abrede. Er schildert eine Provinz, die sich aus etwas hinausdehnt, was wir uns nur in räumlicher und linearer Kontinuität vorstellen können. Die Metropole und ihr Hinterland sind hier keine getrennte Augenblicke auf einem Faden mehr, es sind Welten, die einfach aneinander vorbeileben.

Wie da ein sprachloser Mann vom Land im Hofburg-Quartier herumstolpert, wie dieser Mann sich der heimischen Rudner Sagen erinnert, der erregten Stimmung der Häusler und Bauern beim Sau-Stechen, wie in in diesem Mann, der doch schreibt und in der Nationalbibliothek studiert, der Wunsch keimt, aus der österreichischen Literatur wieder auszutreten. Ach, schöne Wehmut, ach, wohliges Unverstandensein…

Gelungen auch das Portrait von Viktor Rogy, dem 2004 verstorbenen Künstler und Begründer des legendären Café OM in Klagenfurt. – Fazit: Wir hätten diesem Bändchen mehr Betreuung gewünscht und weniger Beweihräucherung der lokalen Schriftstellergrössen. Dann wäre aus den Geschichten der Rudner möglicherweise ein Lesezeichen für eine ahnungslose Gegenwart geworden, so wird es das nicht.

Gösta Maier/ Janko Messner/ Jozej Strutz (Hg.): Kratka proza/ Kurzprosa. Die Rudner in Wien und andere Idyllen. Slowenisch-deutsche Lektüre. Klagenfurt/Celovec: Edition Rapial edicija, Novine 8, ISBN 978-3-200-00962-2. 15,- EUR

© Wolfgang Koch 2009
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