vonWolfgang Koch 28.06.2009

Wolfgang Kochs Wienblog

Vom letzten Glanz der Märchenstadt oder wie es sich an der blauen Donau gerade lebt.

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Von den Forderungen der Indiani metropolitani in den Siebzigerjahren hat mir die nach bedingungsloser Repatriierung aller Zootiere immer am besten gefallen. Warum bitte sollen Angehörige bedrohte Arten in Showkäfigen eingekerkert bis zum Sankt Nimmerleinstag von uns durchgefüttert werden? Wo bitte bleibt das freie und unveräusserliche Recht einer jeglichen Kreatur, unwiderruflich von der Bildfläche des Universums verschwinden zu können?

Ich bin kein Freund von Tierparks, selbst wenn bei uns in Schönbrunn der älteste der Welt steht und seine Besuchermaschinerie mehr Publikum anzieht als die benachbarten Schlosssäle der Habsburgerdynastie. Schon gar nicht bin ich ein Freund moderner Zoopädagogik, bei der ausgewachsene Löwen und Tiger zu Fütterungszeiten – nur getrennt durch eine zentimeterdicke Glasscheibe – Kaninchenkadever vor den Augen von Kleinkindern zerreissen. Ich lasse mir von keinem »Experten« einreden, dass solche visuellen Inszenierungen der Natur für uns in irgendeiner Weise lehrreich sein könnten.

Nein, Tierparks sind Kultstätten der Schaulust, des Voyeurismus und der unreflektierten Pornografie – und sie sind nicht zufällig historisch im selben Moment wie Museen und Opern entstanden. Kein Mensch entspannt sich bei der Beobachtung von hängenden Flamingoköpfen; welchen frei atmenden Geist vermag der Anblick von kameraschwingenden Touristen zu ermuntern, die weisse Pfaue mit Brotkrumen anlocken?… Nein, wir haben es im zoologischen Gefängnis mit einem durch Film und Fernsehn verschärften Gaffertum zu tun, das sich mit zwielichtigen Argumenten gegen die Erkenntnis der eigenen Rohheit wappnet!

Zum Glück bin ich nicht der einzige, der wie eine Wildkatze den Tioerpark durchstreift und sich den aufrecht gehenden Homo Sapiens ansieht. Seien wir ehrlich, das einzige Vergnügen für einen halbwegs intelligenten Menschen in Schönbrunn ist doch, wenn das Nilpferd eine Kotgranate gegen Menageriemauer abfeuert und der braune Unflat als dickes Rinnsal wie bei einem Pollock-Gemälde die um teures Geld kaisergelbe gestrichene Wand herunterrinnt.

Wie gesagt, ich bin nicht allein. Da ist zum Beispiel das Künstlerdio Christoph Steinbrener und Rainer Dempf. Künstlerpaare haben keine sonderliche Tradition in Österreich. Seit einigen Jahren aber attackiert dieses Kreativduo sehr unterhaltsam gewisse Repräsentionsstrategien in Wien und in den Bundesländern.

Rainer Dempf ist ein introvertierter, stark intuitiv arbeitender Typo- und Fotograf und das kalte Auge des Gepannes. Steinbrener ein Bildhauer und Machertyp vom Schlag eines sächischen Gutverwalters; er besitzt ausreichend unternehmerische Erfahrungen und die Chuzpe, die gemeinsamen Kunstprojekte gegen alle öffentlichen Widerstände durchzuboxen.

Nach spektakulären Interventionen in einer Wiener Einkaufstrasse, bei der es um die Entschriftung des öffentlichen Raumes ging, und einer weiteren in der schönsten Jesuitenkirche der Stadt choreografieren Dempf/Steinbrener nun bis Herbst 2009 den Zoo Schönbrunn als eine von sich selbst entfremdete Form. Sechs Mal haben die beiden Künstler im Gestrüpp der Gehege, Käfige, Aquarien und Terrarien provokativ interveniert, haben frappierende Objekte in das Krokodilbecken, den Nashornpark, usw. geschmuggelt. Die Annäherung an das Thema erfolgte akribisch über ein Jahr lang mit Hilfe von Pflegern, Nahrungsspezialisten und Experten für tierisches Verhalten, wobei die sprachlose Klientel der Fische, Krokodile, Pinguine, Nashörner und Elefanten von Biologen vertreten wurde.

Herausgekommen sind bei diesem Prozess künstlerische Eingriffe, die trotz ihres fiktiven Charakters meist keine Irritation aufkommen lassen. Im Gegenteil: das Giftfass im Riffbecken wirkt so einschüchternd realistisch, als hätte die Zooleitung ob des ökologischen Gleichgewichts der Weltmeere wochenlang Alpträume durchlebt. Ein im Steppentümpel des Nashorns versenktes Autowrack wirkt, als wollte man die Schraube der Wildlife-Spendenschnorrerei noch eine Schraube weiter andrehen. Die meterhohe Attrappe einer Ölpumpe am Pinguinstrand wird von den BesucherInnen nicht einmal wahr genommen. Kurz: Die Pop-Art-Interventionen fügt sich so nahtlos in den altbackenen Moralismus des Zoos, dass man den Künstlern an diesem Ort am liebsten Dauerarbeitsplätze und den Tierpflegern Kurzarbeitsbeihilfen gewähren möchte.

Einzig in der trostlosen Elephantenhölle sprengt das inszenierte Bild tatsächlich die Grenzen der älteren Inszenierung. Das liegt zunächst an den diffusen Farben, die in diesem Bereich herrschen. Der Schönbrunner Elephantenbestand, müssen Sie wissen, zeichnet sich durch eine besonders papiern und staubig wirkende Haut aus. Wiens Paradeelefanten sind grau und ohne Glanz, so dass die Tiere optisch in der dahinterliegenden Felswand verschwinden. Die oft minutenlang in Bewegungsstarre verharrenden Dickkäuter lösen ihre Masse nur kurz aus der Kulisse, um erneut zu Skulpturen zu gefrieren und zu verschwinden.

Dempf/ Steinbrener haben dieses theatralisches Schaupiel von Elefant, Licht und Fels mit einer schneebedeckten Tiroler Almhütte bekrönt. Das wirkt nun tatsächlich surreal-komisch, wie Papageien, die eine Toilettenspülung nachahmen oder wie die Wahlsiege Berlusconis in Italien. Wer dabei an Umweltgefahren denkt, wie es die PR-Abteilung des Zoos vorschlägt, dem ist nicht zu helfen.

Der Rezensent hatte bei seinem Lokalaugenschein das ausserordentliche Glück in Moment einer Comedy-in-progress aufzutauchen. Der irregeleitete Jungbulle der Miniherde mühte sich gerade ab, einen Traktorreifen als Sexspielzeug zu benutzen – vergeblich allerdings, das der Bimbo den Reifen bei seiner operanten Methode nur im Stillstand zwischen Vorder- und Hinterbeine klemmen konnte.

Künstlerische Sprachen sind im allgemeinen notwendig, um Dinge aufzuzeigen, die sich auf andere Weise nicht erlernen lassen. Im Fall der Elefanten scheint mir die künstlerischen Grammatik der Bildstellung durchaus gelungen. Bei der Eröffnung des Kunstprojekts war viel von Irritation der Besucher, von Infragestellung inszenatorischer Grundhaltungen, u.ä. die Rede. Das scheint mir die unvorhersehbaren Eventualitäten eines Zoos bei weitem zu unterfordern.

Unter dem Strich wird jder sensible Beuscher bald merken, dass das trashig inszenierte Environment hoffungslos hinter den ausgestellten Wundertieren, Exoten und Bestien stehen bleibt. Die Tiere kehren das Verhältnis von Wahrnehmung und Imagination auf ihre spielerische Weise um, und sie tun das geradezu minimalistisch im Vergleich zum Aufwand mit dem die Künstlerhand hier das Blickregime übernimmt. Auch wenn demnächst Künstler ihr Mütchen an den Zoobewohnern kühlen sollten, indem sie Eisbären in feuerspeienden künstlichen Vulkanen hausen lassen oder Halbaffen mit Swarowski-Steinen behängen, der Witz und die Lakonie der tierischen Performance schlägt alle unsere Projektionen bei weitem.

© Wolfgang Koch 2009

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