vonWolfgang Koch 24.07.2009

Wolfgang Kochs Wienblog

Vom letzten Glanz der Märchenstadt oder wie es sich an der blauen Donau gerade lebt.

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Die Grünen sind bekanntlich a) unfähig zum breiten Erfolg unter der Wählerschaft und b) masslos verliebt in ihre internen Diskussionen. Dass das eine irgendwie mit dem anderen zusammenhängt, wird man vielleicht noch sagen dürfen.

Was nun die interne Debatte der Wienerischen Grünen betrifft, degradieren uns die Medien seit Wochen zu Zaungästen eines vollkommen unterirdischen Vorwahlgezetters. Da hat sich ein wackeres Häuflein studentischer Netzaktivisten und Grünen-Stammwähler in den Kopf gesetzt, das im Herbst anstehende Kandidatenhearing für die nächste Landtagswahl aufzumischen. Seither steht der Parteiappart Kopf. Wirre, rätselhafte Reden, Schreikrämpfe, wilde Bewegungsspiele und durchlöcherte Begriffssprache haben Einzug in Büros, Versammlungslokale und Bloggs gehalten. »Dürfen denn die das?«, wollen die Altvorderen von den Rebellen wissen. »Droht eine feindliche liberale Übernahme?« Usw. usf.

Die Ängste vor einer Öffnung der Grünen Partei sind traditionell gross. Wie bei allen anderen Wahlvereinen bestimmen auch bei den Ökos uralte Seilschaften, private Loyalitäten und freundliche geschäftliche Gefälligkeiten die Struktur der Funktionärshierarchie. Als ich kürzlich 1.200 Bücher für den Sozialflohmarkt der Brigittenauer Bezirksorganisation stiftete, gab es nicht einmal den im Höfflichkeitshandbuch vorgeschlagenen feuchten Händedruck als Dankschön. Stattdessen sandte mir die Bezirksorganisation einen pensionierten Buchhändler, der die Spende entgegennahm und die Ware auch gleich begutachten sollte. Der gute Mann schwärmte mir zehn Minuten lang von seiner ausgedehnten Büchersammlung zu Hause vor und verschwandt dann eilends mit meinen Kisten. Man geht wohl kaum fehl in der Annahme, dass die Rosinen aus der Stiftung des Bücher-Konvolutes nie das Licht eine Sozialflohmarktes erblickt haben.

Ein marginales Beispiel, gewiss, aber durchaus mit Modellcharakter für den Filz einer Partei, deren Funktionäre überhaupt nicht mehr zu einer Volkspartei werden möchten. Man hat sich im Lauf der Jahre bequem in einem Menschenbild eingerichtet, das sich in klugem Geben und Nehmen erschöpft und sich auch im Kleinen nicht mehr abzugrenzen vermag von den kommerziellen Tendenzen der Gegenwart.

In der 30. Woche erreichte nun das Chaos um die Internet-Initiative einen elektronischen Höhepunkt. Und das kam so: Seit ich bei den Europawähler 2009 die Kandidatur von Ulrike Lunacek öffentlich unterstützt habe, geniesse ich in Grünen Datenspeichern den Ehrenstatus eines »Unterstützers« der Partei. Das ist von Fall zu Fall ja nicht falsch, doch es trug mir Anfang der Woche folgende geharnischte Mailbotschaft ein:

»Sehr geehrter Herr KOCH,

Vielen Dank für Ihr Interesse, UnterstützerIn der Wiener Grünen zu werden.

In den letzten Wochen hat der Landesvorstand der Grünen Wien eine intensive Debatte darüber geführt, wie die Grünen gleichzeitig für neue Menschen offen sein, aber auch die Identität einer gemeinsamen Partei bewahren können. Es ist klar, dass wir neue Menschen brauchen, um uns entwickeln zu können.

Gleichzeitig wissen wir, dass eine Partei, die ein hohes Maß an interner Demokratie versucht, auch die Bereitschaft von Allen braucht, sich daran zu beteiligen. Damit meinen wir nicht nur die Möglichkeit zur Mitbestimmung, sondern auch gleichzeitig die Auseinandersetzung mit den Menschen, der Organisation, den Inhalten und den Zielen der Grünen. Der Wiener Landesvorstand ist sich einig, dass wir den alleinigen Wunsch, bei der Landesversammlung am 15. November stimmberechtigt zu sein nicht als ausreichende Beteiligung an den Wiener Grünen nach unserem Statut sehen:

5.7.1 Wer der Landespartei gegenüber erklärt, dass sie/er sich mit den Grundsätzen und dem Programm der GRÜNEN – GRÜNE ALTERNATIVE WIEN einverstanden erklärt und bei der Partei mitarbeiten und mitentscheiden will, ohne Parteimitglied zu sein, erwirbt mit Aufnahme durch den Landesvorstand den Status einer Unterstützerin/eines Unterstützers.

Aus Ihrem Ansuchen, UnterstützerIn der Grünen zu werden, konnten wir diese uns wichtige Bereitschaft nicht herauslesen, da das von Ihnen verwendete Formular einige Felder nicht enthält, die Bestandteil des offiziellen grünen Antragsformulars sind (siehe: http://wien.gruene.at/uploads/media/Beitrittsformular_2009-1.pdf ).

Deshalb können wir Ihnen den Status als UnterstützerIn der Wiener Grünen nicht zuerkennen. Das bedeutet, dass Sie am 15. November auf der Landesversammlung nicht stimmberechtigt sind.

Eine eingehend geführte Debatte hat sich darum gedreht, ob wir trotzdem die Chance, die wir in Ihrem Ansuchen für uns sehen, nützen können. Wir wissen ganz genau, dass es gerade für die Grüne Partei notwendig ist, offen für neue Menschen zu sein.

Da wir überzeugt sind, dass die Idee der Grünen Vorwahlen eine richtige ist, möchten wir Sie bereits jetzt zum Grünen Vorwahlen Konvent einladen. Am 18. Oktober werden wir im Rahmen dieser Veranstaltung gemeinsam versuchen, ein langfristiges Vorwahlenmodell für die Wiener Grünen zu entwickeln und auch ein erstes Experiment in diese Richtung für die Listenerstellung am 15. November starten.

Eine separate Einladung werden wir zur Erinnerung im Herbst erneut aussenden.

Mit freundlichen Grüßen

Landesgeschäftsführer der Wiener Grünen.«

Nun konnte ich mich beim besten Willen nicht entsinnen, je einen Antrag gestellt zu haben, um in den Status eines Unterstützers zu gelangen. Darum konnte mir auch egal sein, ob ich bei der Landesversammlung am 15. November stimmberechtigt sein werde oder nicht. Wundern musste ich mich trotzdem!

Zweieinhalbe Stunden später folgte eine Mailbotschaft mit der Betreffzeile »IRRTÜMLICHER MAILVERSAND/ KandidatInnenprozess der Wiener Grünen«. Im Textfeld standen die geheimnisvollen zwei Worte: »Lieber Wolfgang,« – Aus, Ende. Das war alles.

Weitere 17 Stunden später das nächste Mail aus dem Landesbüro. Diesmal lautete die Betreffzeile: »Klarstellung irrtümlicher Mailversand am 21.7.09«. Nun sollte sich der ganze Spuk aufklären:

»Lieber Wolfgang,

Auf Grund eines gestrigen, zeitweiligen Serverausfalls sind uns technische Fehler unterlaufen.
Du hast ein für dich nicht bestimmtes Email, betreffend der Aufnahme als UnterstützerIn, erhalten.
Die darauffolgende Verständigung über diesen Irrtum war, wie wir heute früh feststellen mussten, ebenfalls teilweise fehlerhaft; an manche Personen erging nur ein leeres Mail!

Wir entschuldigen uns vielmals für die verursachte Verwirrung wie auch die Mehrfachaussendungen und bitten Dich, die beiden gestrigen Emails als gegenstandslos zu betrachten. Darüber hinaus erlauben wir uns, im Laufe dieses Tages die für Dich ursprünglich beabsichtigte Nachricht nochmals zu versenden.

Danke an all diejenigen, die mich bzw. meine Mitarbeiterin bereits persönlich über diesen Irrtum in Kenntnis setzten und es uns dadurch ermöglicht haben, schnell zu reagieren!

Mit freundlichen Grüßen
Landesgeschäftsführer.«

Aha, so war das also! Langsam begann mich das Kommunikations-Chaos der Ökopartei zu interessieren. Zumal nur 45 Minuten später eine wahre Informationsflut einsetzte:

»Lieber Wolfgang, liebe Grüne und Grün Interessierte!

Wir möchten euch über den breiten KandidatInnenprozess der Wiener Grünen informieren, der bis zur Wahl der Grünen Liste zum Gemeinderat am 15. November 2009 stattfinden wird.

Das Ziel des KandidatInnenprozesses ist, einerseits Menschen zu unterstützen, die sich für eine Kandidatur zur Listenerstellung für die Gemeinderatswahl entscheiden. Andererseits soll den Menschen, die am Entscheidungsfindungsprozess für die Listenerstellung teilnehmen wollen, eine breite Plattform angeboten werden, um sich über die KandidatInnen informieren zu können und diese kennen zu lernen.

Die Unterstützung für die KandidatInnen, die sich für einen wählbaren Listenplatz bewerben, in Form von Schulungen für die Erstellung von Blogs + Medientraining findet in den Monaten Juli, August und September statt.

Unten findest du bereits feststehende Termine im Herbst, die im Zeichen der KandidatInnenpräsentation stehen. Wir laden dich herzlich dazu ein, neben der ab September online zugänglichen KandidatInnensite im Internet, die KandidatInnen auch persönlich zu treffen.

Mit sommerlichen Grüßen


Termine KandidatInnenprozess:

Dienstag, 8. September: Kandidatinnentreffen

Freitag, 11. September: Inside Grüne

Dienstag, 15. September: Open Space für KandidatInnen

Donnerstag, 8. Oktober: Open Space für KandidatInnen

Donnerstag, 22. Oktober: Open Space für KandidatInnen

Dienstag, 27. Oktober: KandidatInnen-Hearing

Donnerstag, 29. Oktober: KandidatInnen-Hearing

Dienstag, 3. November: KandidatInnen-Hearing

Donnerstag, 5. November: KandidatInnen-Hearing

Dienstag, 10. November: KandidatInne-Hearing

Donnerstag, 12. November: KandidatInnen-Hearing

© Wolfgang Koch 2009

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